Ist Klima-Gerechtigkeit wählbar?

Wir haben die Wahlprogramme der fünf großen demokratischen Parteien aus Klimagerechtigkeitsperspektive analysiert um festzustellen, inwiefern sie eine transformative – mit der 1,5°C-Grenze konforme Politik anstreben oder auf ein Weiter so mit grünem Anstrich setzen.

Klimagerechtigkeit ist nicht wählbar, Klimazerstörung hingegen schon!

In der Analyse der Wahlprogramme haben wir Kriterien für sieben Bereiche entwickelt. Die Analyse entlang dieser Kriterien zeigt sehr deutliche Unterschiede zwischen den Parteien.

Auch wenn soziale Bewegungen Klimagerechtigkeit selbst in die Hand nehmen müssen, da sie nicht wählbar ist, macht die Analyse der Programme klar, dass es für Ausmaß und Geschwindigkeit der Klimazerstörung einen Unterschied macht, welche Parteien regieren.

Die Programme der Parteien analysieren wir anhand des von ihnen angenommenen verbleibenden Klimabudgets, ihren Vorschlägen für einen grundlegenden Umbau der Wirtschaft sowie ihren konkreten Ideen zur Entwicklung von Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Wohnen&Gebäude und Landwirtschaft.

Die Programme von CDU/CSU und FDP sehen keine wesentlichen Veränderungen vor und setzen auf Marktkräfte und eine entfesselte Wirtschaft. Die Klimakrise sowie soziale Probleme sollen nebenbei durch Marktmechanismen und Techno­logie gelöst werden.
Die Grünen setzen mit der sozial-ökologischen Marktwirtschaft auf grünes Wachstum, mit zum Teil klaren Vorstellungen der notwendigen Maßnahmen und dem Einbezug sozialer Belange. Das Programm geht aber nicht über klassische Ideen einer ökologischen Moderni­sierung hinaus und hängt letztendlich an den illusorischen Versprechungen eines grünen Kapitalismus.
Die SPD hält im Wesentlichen am Bestehenden fest. Es gibt keine Offenheit für allgemeine Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung von Arbeit, obwohl dies sozialdemokratische Kernpositionen für das 21. Jahrhundert sein könnten. Darüber hinaus gibt es viele unverbind­liche Absichtserklärungen für wichtige Veränderungen, doch die Maßnahmen sind ungenügend und unkonkret.
Die Linke will eine grundlegende Veränderung der wachstums- und profitorientierten Gesellschaftsstrukturen. An vielen Stellen nimmt das Programm Forderungen für globale Klima­gerechtigkeit auf, es fehlen aber ausreichend konkrete Maßnahmen. Außerdem wird das Dilemma zwischen dem angestrebten Erhalt aller Industriearbeitsplätze und dem notwendigen industriellen Rückbau nicht gelöst.

Die ausführliche Analyse gibt es hier als PDF zum Download, Lesen, Teilen und Diskutieren.

Cover der Wahlprogrammanalyse

Herausgeber:
Konzeptwerk Neue Ökonomie

Autoren:
Kai Kuhnhenn, Lasse Thiele, Matthias Schmelzer

Veröffentlichung:
PDF, 64 Seiten
August 2021, Leipzig

» Die Analyse ist keine Wahlempfehlung für eine bestimmte Partei. Wir wollen stattdessen zeigen, welche politischen Maßnahmen für eine klimagerechte Gesellschaft notwendig wären. «

Im Interview mit den Autoren erfahrt ihr mehr zu den Hintergründen der Analyse; wie ein klimagerechtes Wahlprogramm aussehen müsste und warum es trotzdem einen Unterschied macht, welche Partei gewählt wird.
Zum Interview

Die gemeinsame Analyse der Programme zeigt den unzureichenden Rahmen, innerhalb dessen Klimapolitik diskutiert wird.

Viele Versprechen – Wenig Maßnahmen

Klimapolitik hat zwar auf der rhetorischen Ebene insgesamt einen deutlich höheren Stellenwert als bei allen bisherigen Wahlen – vor allem bei den Grünen, der Linkspartei und mit deutlichen Abstrichen bei der SPD. Trotzdem sind die von den Parteien formulierten Ziele unzureichend.

Viel Wachstum –
Wenig Rückbau

Alle Parteien haben Vorschläge dazu, wie Schlüsseltechnologien ausgebaut und gefördert werden können.
Aber es gibt wenig Maßnahmen für den notwendigen Rückbau von klimaschädlichen Industriezweigen und Wirtschaftsbranchen.

Viel Technik –
Wenig Veränderung

Mit Ausnahme der Linken setzen alle Parteien große Hoffnungen auf technische Innovationen, die eine Fortführung der derzeitigen Lebensweise ermöglichen. Gesellschaftsveränderung, soziale Innovationen oder die Verringerung von Konsum werden hingegen kaum beachtet.

Viel Markt –
Wenig Politik

Insgesamt gibt es ein sehr großes Vertrauen auf die lenkende Wirkung des Marktes, der durch den CO2-Preis oder andere Instrumente beeinflusst wird. Aktive Indus­triepolitik sowie Maßnahmen, die sich gegen die Interessen von Großemittenten stellen, fehlen leider meist. Die Linke nimmt hier als einzige Partei eine konfrontativere Haltung ein.

Viel Industrie – Wenig globale Klima­gerechtigkeit

Dass beim ökologischen Umbau Deutschland Industriestandort und Exportweltmeister bleibt, halten alle ­Parteien – mit Ausnahme der Linken – für selbstverständlich. Was diese Strategie für den Rest der Welt bedeutet und wer ihre Folgekosten trägt, bleibt ebenso unbeleuchtet wie Reparationen für ökologische Klimaschulden.

Klimagerechtigkeit ist nicht wählbar – Klimazerstörung hingegen schon!

Das heißt jedoch nicht, dass Klimagerechtigkeit nicht möglich ist. Dafür braucht es den Einsatz der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen – für eine demokratische, soziale und klimagerechte Gesellschaft und eine Zukunft für alle. Denn der Druck von unten verschiebt den Rahmen dessen, was möglich ist. Auch wir wollen dort aktiv sein, wo Hebel entstehen, um gesellschaftliche Veränderungen voranzubringen. Unterstützt uns dabei.
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