Bausteine für Klimagerechtigkeit
Das Ziel der Arbeitszeitverkürzung ist, Arbeit, Zeit und Einkommen umzuverteilen und damit ein gutes Leben für alle zu ermöglichen.
Das Ziel einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung (AZV) ist, Arbeit, persönlich verfügbare Zeit und Einkommen umzuverteilen und damit ein gutes Leben für alle sowie einen sozial-ökologischen Umbau zu ermöglichen. „Kollektive“ AZV umfasst alle Ansätze von AZV, die über individuelle Lösungen, in denen Beschäftigte einzelne Optionen abrufen können, hinausgehen. Das kann betrieblich, tariflich, branchenübergreifend oder gesamtgesellschaftlich / gesetzlich sein.
In Deutschland ist es keine ökonomische Frage, ob Arbeitszeitverkürzung möglich ist – es ist eine Machtfrage.
Bei der Verteilung von Zeit und Arbeit geht es um Herrschaftsverhältnisse –
Die große Mehrheit der Bevölkerung würde von einer AZV profitieren, aber die Minderheit, die das nicht tut, hat mehr Macht. Wir zeigen wie eine AZV ausgestaltet sein müsste, um den Menschen zu dienen, einen Schritt Richtung Klimagerechtigkeit zu leisten und wie sie umsetzbar wäre. Wir begreifen Arbeitszeit nicht nur als ökonomische Kategorie, sondern auch als politische, demokratische und kulturelle Kategorie. Bei der Verteilung von Zeit und Arbeit geht es um Herrschaftsverhältnisse und damit um Fragen von Klasse, Geschlecht, Rassismus und Ableismus.
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Kollektive Arbeitszeitverkürzung auf 28h und eine 4-Tage-Woche ist ein zentrales Element einer sozial-ökologischen Transformation. Durchgeführt bei vollem Lohnausgleich und mit Personalausgleich ist sie ein essentieller Beitrag zu Umverteilung von Arbeit, Zeit und Einkommen. Lesen Sie mehr dazu in unserem neuen Dossier.
Der 8h-Tag wurde vor mehr als 100 Jahren erkämpft und gilt seitdem als Standardnorm unserer Arbeitswelt.
Diese Regelung bildet eine völlig andere Arbeitswelt ab und muss dringend modernisiert werden. Aktuell beträgt die gesetzliche Höchstarbeitszeit pro Woche noch 6 Werktage à 8 Stunden – also 48 Stunden! Wir schlagen eine kollektive AZV auf 28 Stunden in einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich vor. Längerfristig sollten wir einen Reduktionspfad hin zu 20-25 Wochenstunden anstreben, um Arbeit und verfügbare Zeit noch stärker umzuverteilen. Daher sollte die 28h-Woche tariflich erkämpft und betrieblich umgesetzt werden. Gleichzeitig sollte die gesetzliche Höchstarbeitszeit pro Woche von aktuell noch 6 Werktagen à 8 Stunden auf 5 Tage und 40h reduziert werden.
Flexible Modelle individueller Arbeitszeitanpassung sollten innerhalb dieses Korridors weitergeführt werden –
Für besondere Lebenssituationen wie das Sorgen für Kinder, die Pflege Angehöriger oder Schichtarbeit kann Arbeitszeit etwa weiter reduziert werden. Für Qualifizierungen, Saisonarbeit, intensive Projektarbeit oder mehr unbezahlten Urlaub kann die Arbeitszeit zeitweise individuell erhöht werden.
AZV muss in allen Branchen mit Personalausgleich einhergehen.
Dies bedeutet, für die reduzierten Stunden insgesamt mehr Personen einzustellen, um eine höhere Verdichtung der Arbeit zu vermeiden. Hiervon ausgenommen sind nur die Wirtschaftszweige, die im Rahmen eines sozial-ökologischen Umbaus aufgrund ihrer hochgradig umweltschädlichen oder sozial unerwünschten Wirkung rückgebaut werden müssen.
Arbeitszeitverkürzungen kamen immer nur auf Druck der Arbeiter*innen zustande.
Deutschland: Von der 70h-Woche zur 38,5h-Woche
Von 1871 bis zum ersten Weltkrieg gab es in Deutschland regelmäßig durch die Arbeiter*innen-Bewegung erkämpfte Reduzierungen der Arbeitszeit – von anfangs 70 Stunden auf um die 50 Stunden. Mit der Novemberrevolution 1918 wurde der 8h-Stunden-Tag und damit die 48h-Woche durchgesetzt. Danach erfolgte eine langsame Bewegung zur 40h-Woche. Durch die Erkämpfung der 35h-Woche in der westdeutschen Metallindustrie kam es in den 1980er bis 1990er Jahren zu einem starken Rückgang der tariflichen Vollzeit-Arbeitszeit.
Island: Von 40 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich
2015 und 2017 gab es in Island große Experimente mit AZV. Sie wurden auf Druck von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen von den Regierungen von Reykjavík (Stadt) und Island (Land) eingeführt. Das beeindruckende Ergebnis ist, dass aufgrund der Erfolge des Projekts nun 86% der arbeitenden Bevölkerung in Island kürzere Arbeitszeiten oder zumindest das Recht darauf haben.
Irland und USA: Erfolgreiche Experimente mit der 4-Tage-Woche
In Irland und den USA nahmen 2022 insgesamt 33 Unternehmen an einem Experiment zur 4-Tage-Woche teil. Idee war, Lohn und Output beizubehalten, aber die Arbeitszeit um 20% von 40 auf 32 Stunden zu reduzieren. Die Ergebnisse der Studie machen Mut: 97% der Beschäftigen wollen mit dem neuen Modell weitermachen.
AZV ist ein zentraler Baustein eines sozial-ökologischen Umbaus, in dem verschiedene Bereiche der Wirtschaft ausgebaut, andere aber um- und rückgebaut werden. Nur mit einer AZV kann dieser Umbau sozial und im Sinne der Beschäftigten gestaltet werden. In besonders umweltschädlichen Bereichen wie dem fossilen Energiesektor, der Chemieindustrie und der Rüstung kann AZV einen Rückbau abfedern.
AZV führt zu mehr Wohlbefinden, besserer Gesundheit und Work-Life-Balance. Studien zeigen, dass AZV zu weniger emotionalem Stress, höherer Zufriedenheit und mehr Zeit für Erholung führt. Für viele Beschäftigte mit Kindern ist es schwierig, neben dem Job genügend Zeit für ihre Familie zu finden. Diese Konflikte kann AZV reduzieren.
Chance auf weniger Emissionen und Ressourcenverbrauch
Mit einer 4-Tage-Woche kann auch der Energie- und Ressourcenverbrauch der (weiter) bestehenden Branchen und der Arbeitswege gesenkt werden. Ob Beschäftigte mit kürzerer Arbeitszeit umweltfreundlicher leben oder nicht, hängt jedoch davon ab, was sie mit ihrer freien Zeit machen. Wenden sie sich Sorgetätigkeiten zu, so sinkt ihr ökologischer Fußabdruck.
Eine kollektive AZV soll dazu dienen, unentgeltliche Sorgearbeit innerhalb der Gesellschaft gerechter zu verteilen. Eine kollektive AZV ermöglicht, dass sich Lohnarbeitszeiten annähern und somit alle Geschlechter gleich viel Zeit für Sorgearbeit und ähnliche Karrierechancen haben.
Zeit für demokratische Teilhabe
Menschen benötigen Zeit, um sich demokratisch zu beteiligen, für die eigene Bildung, für Diskussion und Austausch und für Engagement. Durch AZV mit vollem Lohnausgleich haben mehr Menschen die Möglichkeit, sich in die Gestaltung unserer Gesellschaft einzubringen.
Ein gutes Leben für alle bedeutet in Bezug auf AZV, über die Umverteilung von gesellschaftlich notwendiger Arbeit hinaus auch Zeit für Dinge zu haben, die Freude bereiten. Es geht darum, Beziehungen, Spiel, kreative Tätigkeiten, Sport, Genuss und Muße als wichtige Ressourcen für ein gutes Leben ernst zu nehmen.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob eine AZV Sinn ergibt, sondern wie wir sie durchsetzen können.
Die Mehrheit der Bevölkerung würde von AZV klar profitieren, da diese ihren Vorstellungen einer sinnvollen Aufteilung von Zeit und Arbeit entgegen käme. Deshalb gibt es mehr potenzielle Verbündete als Gegner*innen – aber bei den Gegner*innen liegt aktuell die ökonomische Macht. AZV ist also nur durch massiven Druck von unten zu erreichen. Sie wäre eine weitreichende Reform und bedürfte einer klaren Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, um umgesetzt zu werden.
AZV ist nur durch massiven Druck von unten zu erreichen.
Reale Experimente helfen, um Beschäftige, Unternehmen und Politiker*innen von den Vorteilen einer AZV zu überzeugen. Daher sollten wir darum kämpfen, auch in Deutschland großflächige Versuche einer 4-Tage-Woche durchzuführen.
„Arbeitszeitverkürzung“ in unserem Verständnis bezieht sich auf die Kürzung der aktuellen Vollzeit-Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Das bedeutet, dass Menschen, die schon in Teilzeit arbeiten, eine Lohnerhöhung bekommen. Damit profitieren alle von AZV, nicht nur diejenigen, die aktuell in Vollzeit arbeiten. Das Teilzeitgehalt würde dann am neuen Vollzeitstandard bemessen. Dies gilt es in der Kommunikation mit Teilzeitbeschäftigten deutlich zu machen.
„AZV ändert nichts an der Produktivität“
Zahlreiche Pilotprojekte zu AZV betonen, dass kürzere Arbeitszeiten durch höhere Produktivität ausgeglichen werden können. Dies bedeutet meist eine Verdichtung der Arbeitszeit. Auch wenn diese in einzelnen Branchen ohne Probleme bewältigbar ist, ist dies gesamtwirtschaftlich kaum möglich. Zu AZV gehört die Beteiligung der Beschäftigten an den Produktivitätsgewinnen – und keine Fortführung des neoliberalen Paradigmas, die Leistung immer weiter zu steigern.
„AZV zerstört Jobs“
Als Argument gegen AZV wird oft angeführt, dass diese Jobs zerstöre, statt welche zu schaffen. Aber: Welche Art von Arbeit wird im Rahmen der AZV reduziert, welche geschaffen? Wo werden Jobs zerstört, wo Arbeit umverteilt, und wo neue Jobs geschaffen? Die Arbeit muss insbesondere zwischen den Geschlechtern umverteilt werden. Wir sind überzeugt: Wenn Arbeitsplätze attraktiv, gesundheitlich weniger belastend und mit Familie vereinbar sind, so finden sich dafür auch Fachkräfte.
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Arbeitszeit-Verkürzung
Für die 4-Tage-Woche und ein gutes Leben für alle
Gerechte Bodenpolitik
für eine demokratische, vielfältige und zukunftsfähige Landwirtschaft
Förder*innen
Supported in part by a grant from the Foundation Open Society Institute in cooperation with the Europe and Eurasia Program of the Open Society Foundations.