Bausteine für Klimagerechtigkeit

Transformativ.
Solidarisch.
Machbar.
Sozial-ökologische Steuerpolitik
Zusammenfassung

Steuern sind die Haupteinnahmequelle, um den sozial-ökologischen Umbau in Deutschland zu finanzieren.

Reiche und Unternehmen, die die Klimakrise im Besonderen verantworten, sollten stärker an den Kosten zu deren Bewältigung beteiligt werden. Das ist über eine sozial-ökologische Steuerpolitik möglich. Der überfällige Abbau klimaschädlicher Subventionen würde zur Verringerung von Treibhausgasemissionen führen und jährlich Mehreinnahmen in Milliardenhöhe generieren, mit denen eine sozial-ökologische Transformation finanziert werden könnte.

In Deutschland sind Vermögen sehr ungleich verteilt, mit steigender Tendenz.

Dabei ist Deutschland ein Niedrigsteuerland für Superreiche, für die es zahlreiche Steuerprivilegien und Schlupflöcher gibt. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer sowie eine Reform der Erbschafts- und Einkommenssteuer sind wichtige Instrumente, um Steuerprivilegien abzuschaffen, der wachsenden Ungleichheit entgegenzuwirken und Demokratiedefizite abzubauen. International abgestimmte höhere Unternehmenssteuern auf die Gewinne großer Konzerne, eine Verfolgung von Steuervermeidung und die Möglichkeit, Übergewinne effektiv abzuschöpfen, würden mehr demokratische Kontrolle über Konzerne ermöglichen.

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Das deutsche und internationale Steuersystem ist durch umweltschädliche Subventionen, Steuerprivilegien für Superreiche sowie Ausnahmeregelungen für Konzerne ungerecht, klimaschädlich und demokratiegefährdend. Durch sozial-ökologische Steuerreformen können Ungerechtigkeiten abgebaut sowie ökologische Lenkungswirkungen und umverteilende Effekte gefördert werden. Erfahrt mehr dazu in unserem neuen Dossier.

Die Maßnahme: Steuerpolitik für Klimagerechtigkeit

Eine gezielte Steuerpolitik kann einen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation leisten.

Eine gezielte, sozial-ökologische Steuerpolitik kann durch ihre ökologische Lenkungswirkung und umverteilende Effekte einen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation leisten. Sie bietet Alternativen zum gegenwärtig ungerechten und klimaschädlichen Steuersystem und ist insbesondere da sinnvoll, wo ordnungspolitische Maßnahmen für einen gerechten Klimaschutz (noch) nicht durchsetzbar erscheinen.
Umweltbezogene Steuern

Trotz voranschreitender Klimakrise gibt es in Deutschland eine Vielzahl umweltschädlicher Subventionen. Diese halten fossile Infrastrukturen wettbewerbsfähig, begünstigen klimaschädliche Produktions- und Konsummuster und sollten daher abgeschafft werden. Die umweltschädlichen Subventionen in Deutschland beliefen sich im Jahr 2018 auf über 65,425 Mrd. Euro. Hierzu zählt der Abbau klimaschädlicher Subventionen im Verkehrsbereich, wie die Abschaffung der Energiesteuerbefreiung von Kerosin im Flugverkehr, und die Aufhebung des Dieselprivilegs. Auch Steuervorteile für Dienstwagen sollten abgeschafft werden und die Entfernungspauschale (Pendlerpauschale), die in ihrer Ausgestaltung ungerecht und klimaschädlich ist, durch ein Mobilitätsgeld ersetzt werden. Daneben müssen Reformprojekte wie die Energiesteuerreform – durch die Energieerzeugnisse nach Klimaschädlichkeit besteuert werden würden – und die Reform der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) vorangetrieben werden. Wie diese ausgestaltet sein sollten, erfahrt ihr in unserem Dossier / hier.

Besteuerung von Vermögen, Erbschaft und Einkommen

Vermögen in Deutschland sind extrem ungleich verteilt. Die reichsten 10% der Bevölkerung besitzen 67,3% aller Vermögen, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung nur 1,3% aller Vermögen besitzt. Weltweit nehmen extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zu. Ursache für die eskalierende soziale Ungleichheit ist eine ungerechte Steuerpolitik, die Reiche und Unternehmen begünstigt. Global stammen nur noch 4% der Steuereinnahmen aus Steuern auf Vermögen. Gleichzeitig tragen superreiche Menschen übermäßig stark zur Klimakrise bei. So hat das reichste 1% der Weltbevölkerung einen 75-fach höheren CO2-Ausstoß als die ärmere Hälfte zusammen. Wir müssen uns als Gesellschaften fragen, ob wir uns angesichts der Klimakrise und der Begrenztheit von Ressourcen Superreiche weiter leisten wollen. Eine gezielte Steuerpolitik kann ein Beitrag dazu sein: Durch eine effektive Erbschafts- und Schenkungssteuer können Vermögenskonzentrationen verringert, statt gefördert werden. Auch die Wiedereinsetzung einer Vermögenssteuer, von der der überwiegende Teil der Bevölkerung profitiert, ist notwendig, um der eskalierenden Ungleichverteilung von Vermögen entgegenzuwirken. Durch eine Reform der Einkommensteuer können die Steuervorteile wohlhabender Menschen abgebaut werden. Daneben muss die Absicherung von Menschen ohne Vermögen verbessert werden – etwa durch eine aus einer Vermögenssteuer finanzierte Grundrente für alle Bürger*innen oder eines Grundauskommens.

Besteuerung von Unternehmen

Durch internationalen Steuerwettbewerb sinken die Unternehmenssteuern in der EU seit etwa zwei Jahrzehnten, Milliardengewinne von Konzernen werden so zunehmend niedriger besteuert. Dadurch entgehen den Staaten Einnahmen, die Rückverteilung der Gewinne an die Gesellschaft sinkt und es gibt weniger demokratische Kontrolle über die Verwendung erwirtschafteter Mehrwerte. Unternehmen werden zu immer mächtigeren Akteur*innen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Möglichkeit, Gewinne in Steueroasen und Niedrigsteuerländer zu verschieben. Wirksame Instrumente, um diesen Trends entgegenzuwirken, sind die Übergewinnsteuer – durch die milliardenhohe Zufallsgewinne etwa von Mineralölkonzernen und Stromproduzenten abgeschöpft werden können – und eine konsequente Umsetzung einer international abgestimmten Mindeststeuer für Unternehmen mit Steuersätzen über 25% – die es möglich macht, auch global agierende Konzerne wieder stärker unter demokratische Kontrolle zu bekommen.

Beitrag zur Transformation

Für die durch die Klimakrise notwendige sozial-ökologische Transformation braucht der Staat Ressourcen. Steuern sind eine wichtige Einnahmequelle, um den Umbau zu finanzieren. Über eine gerechte Steuerpolitik können auch Superreiche und Unternehmen, die besonders stark zur Klimakrise beitragen, stärker an der Bewältigung beteiligt werden.

Eine angemessene Steuerpolitik begünstigt sozial-ökologisch sinnvolles Wirtschaften, verteuert schädliches Verhalten und reduziert es damit. Hierbei müssen die sozialen Auswirkungen von Kostensteigerungen mit gedacht und Ausgleichsmechanismen für den ärmeren Teil der Bevölkerung getroffen werden.

Umverteilung und eine gerechtere Gesellschaft, in der ein gutes Leben für alle möglich wird, ist Voraussetzung für eine gelingende Transformation. Für eine 1,5°C-konforme Wirtschaft und Gesellschaft müsste sich in kurzer Zeit sehr viel verändern. Die Akzeptanz und Bereitschaft sich auf Veränderung einzulassen steigt, wenn Menschen abgesichert sind und sich durch die Veränderung nicht in ihren Existenzgrundlagen bedroht sehen.

Durch die Klimakrise werden Ressourcen wie sauberes Wasser, Nahrungsmittel oder fruchtbare Böden immer knapper. Diese Entwicklung macht eine global gerechte Verteilung noch notwendiger. Die hohe Besteuerung von Unternehmensgewinnen, Vermögen und Erbschaften kann helfen, Vermögenskonzentrationen zu reduzieren und über eine faire Verteilung einen Zugang für alle zu knapper werdenden Ressourcen zu ermöglichen.

Eine gerechte Steuerpolitik reduziert Demokratiedefizite, die durch Vermögens-konzentrationen bei Unternehmen und Superreichen entsteht und ermöglicht eine stärkere demokratische Kontrolle. Weniger Ungleichverteilung von Vermögen wirkt auch gesellschaftlichen Spaltungstendenzen entgegen.

Eine gerechte Steuerpolitik ist nur ein Baustein unter vielen. Es muss abgewogen werden, wo die Lenkungs- und Umverteilungswirkung einer sozial-ökologischen Steuerpolitik sinnvoll ist oder wo ordnungspolitische Instrumente eine bessere Option darstellen. Ein Beispiel wäre das Verbot von Kurzstreckenflügen anstelle einer höheren Besteuerung von Kerosin, um das Flugaufkommen zu reduzieren.
Wie kommen wir dahin?

Politische Veränderung hin zu einem gerechten Steuersystem muss mit zivilgesellschaftlichem Druck erkämpft werden.

Die ungerechte Ausgestaltung unseres Steuersystems ist kein Zufall, sondern Abbild aktueller Machtverhältnisse. Diese Ungerechtigkeiten werden daher auch nicht von alleine wieder verschwinden. Politische Veränderung hin zu einem umverteilenden, ökologisch gerechten Steuersystem muss mit zivilgesellschaftlichem Druck erkämpft werden. Eine Voraussetzung dafür ist es, progressive Positionen im steuerpolitischen Diskurs zu stärken.

Dafür braucht es breite Bündnisse zwischen Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften.

Es ist Aufgabe von klimapolitischen Akteur*innen, Maßnahmen für Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit und Umverteilung zu verbinden und damit einem politischen Handeln entgegenzuwirken, das Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gegeneinander ausspielt.

Die soziale Akzeptanz für den sozial-ökologischen Umbau steigt, wenn die Verursacher*innen der Krise an der Finanzierung beteiligt werden.

Die notwendige sozial-ökologische Transformation hin zu einer global gerechten Wirtschaft wird viele Ressourcen beanspruchen. Die soziale Akzeptanz für diesen Umbau würde steigen, wenn die Verursacher*innen der Krise – globale Eliten und Konzerne – angemessener an der Finanzierung beteiligt würden. Dazu kann eine sozial-ökologische Besteuerung beitragen. Sie könnte in diesem Rahmen auch Teil der Erzählung sozialer Bewegungen sein.
Mythen & Missverständnisse
„Steuererhöhungen belasten alle mehr.“
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Die Frage, wen Steuern belasten und wen nicht, ist eine politische Entscheidung, und sie ist umkämpft. Unser aktuelles Steuersystem sieht zahlreiche Begünstigungen für große Konzerne und Superreiche vor. Das ist kein Zufall: Durch Lobbying können finanzstarke Akteur*innen ihre Interessen besonders gut durchsetzen. Steuererhöhungen sind in der Öffentlichkeit sehr negativ besetzt – auch solche die einer Mehrheit der Bevölkerung zugutekommen würden, wie z.B. eine Erbschaftsteuer. Andersherum sind Instrumente, die Menschen mit geringen Einkommen stark entlasten würden, wie z.B. die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, weniger prominent. Ein Grund dafür ist, dass der öffentliche Diskurs über Steuern stark durch konservative und liberale Stimmen sowie Akteur*innen geprägt ist, die Klientelpolitik für Reiche machen.

„Ökologische Steuerpolitik treibt die Preise und trifft die Armen.“

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Durch eine Vielzahl von umweltschädlichen Subventionen entgehen dem Staat Einnahmen. Teile dieser Subventionen wie das Dienstwagenprivileg begünstigen wohlhabende Menschen und sind nicht nur umweltschädlich, sondern auch ungerecht. Eine ökologische Steuerpolitik führt also nicht zwangsläufig zu Kostensteigerungen für ärmere Menschen. Wo das doch passiert, können Mehreinnahmen durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen entweder für gezielte Ausgleichsmechanismen für Menschen mit geringen Einkommen oder zur Förderung kostengünstiger umweltfreundlicher Infrastrukturen genutzt werden.

„Vermögens- und Erbschaftssteuer ist eine unzulässige Doppelbesteuerung.“

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Die niedrige Besteuerung von Erbschaften wird häufig damit begründet, dass es sich um bereits versteuertes Vermögen handelt. Diese Argumentation geht davon aus, dass ein Vermögen über den Tod einer Person hinaus im selben Besitz, also im Familienbesitz bleiben kann. Dabei sind Erbschaften und Schenkungen neues, unverdientes Vermögen, auf das mit Übergang an eine*n neue*n Eigentümer*in noch keine Steuern gezahlt wurden. Nach dem deutschen Steuerrecht entfällt die Erbschaftssteuer nämlich auf die Erb*innen.

„Reiche haben ihr Vermögen verdient.“

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Die Vermögenskonzentration bei wenigen Superreichen nimmt in Deutschland zu. Vermögen am obersten Teil der Verteilung entstehen nicht mehr primär durch Lohneinkommen, sondern durch Erbschaften, Schenkungen und Kapitaleinkünfte. Dabei handelt es sich meist um leistungsloses und unverdientes Einkommen. In der Regel sind sehr reiche Menschen also nicht deshalb reich, weil sie besondere Leistungen erbringen, sondern weil sie in eine reiche Familie geboren wurden. Auch dort wo privater Reichtum in größerem Umfang neu erwirtschaftet wird, geschieht das nicht über Eigenleistung, sondern über die Ausbeutung der Arbeitskraft Anderer wie auch natürlicher Ressourcen. Insofern haben nicht Reiche ihr Vermögen „verdient“, sondern alle daran beteiligten Leistungserbringer*innen.

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