Sozial-ökologische Steuerpolitik

Der Schatz am Ende des Regenbogens heißt Systemwechsel

Warum queere Prides antikapitalistisch sein müssen

In den USA wurden dieses Jahr schon 480 Anti-LGBTQ-Gesetzesentwürfe eingebracht, von denen viele vor allem in republikanisch regierten Bundesstaaten zum Gesetz wurden. Das sind für dieses Jahr im Mai schon mehr als letztes Jahr insgesamt. Die Gesetze betreffen die Gesundheitsvorsorge, Meinungsfreiheit, die Einschränkung von Anti-Diskriminierungsgesetzten, Selbstbestimmung in Bezug auf Geschlechtseinträge und Verbote von Literatur in Schulen. Unter anderem wurde das Kinderbuch “A Day in the Life of Marlon Bundo” als Schullektüre verboten. Die Bildergeschichte handelt von einem Hasenjungen, der sich in einen anderen Hasenjungen verliebt.
Neu sind Gesetze, die Drag verbieten sollen. Bei genauerer Betrachtung der Gesetzesvorschläge fällt aber auf, dass sie nicht gerade sehr präzise formuliert sind. Sie könnten also gegen jeden instrumentalisiert werden, der sich nicht gemäß traditioneller westlicher Geschlechternormen kleidet oder trans* ist. Das sind Gesetze die an die 20er des letzten Jahrhunderts erinnern.

CSU will Drag-Lesung für Kinder verbieten

In der Schweiz und in Österreich gab es ähnliche Vorfälle. In Wien beispielsweise wollte die FPÖ bereits im März eine Drag-Lesung verbieten. Die FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) und ÖVP (Österreichische Volkspartei) skandalisieren die Veranstaltung als – Überraschung – „Frühsexualisierung“. Dieses Narrativ ist seit Jahrzehnten beliebt bei Rechten um Hass und Hetze zu verschleichern. In den Büchern, die vorgelesen wurden ging es um Themen wie Gleichstellung, Geschlechtergerechtigkeit und Toleranz. Für die Lesung brauchte es Polizeischutz und es wurden 7 Demonstrationen angemeldet.

Die CSU ist auf diesen Zug aufgesprungen und wollte im Mai eine Drag-Lesung in München verbieten. Keine Überraschung war die Unterstützung der AFD für dieses Vorhaben. Kontroverser war hingegen das Statement des SPD-Oberbürgermeisters Reiter, der ausgerechnet der Schirmherr des Müncher CSDs ist. Gegenüber der BILD-Zeitung erklärte er: „Ich habe für diese Art Programm kein Verständnis und glaube nicht, dass das für Vierjährige geeignet ist. Ich würde mit meinen Enkeln nicht hingehen.“ Das ist nicht weit entfernt vom Framing der AFD, die der Veranstaltung “woke Frühsexualisierung und linke Ideologie” vorwarf. Konsequenzen gab es keine für den Oberbürgermeister. Reiter freute sich über ein versöhnliches Treffen mit CSD-Organisator*innen, entschuldigte sich ein bisschen, fühlte sich aber auch missverstanden.
Der CSU-Wagen wurde für die Parade verboten, was CSU-Abgeordnete intolerant fanden. Wer die Politik der CSU kennt, ist womöglich wenig überrascht von dieser Aktion, sondern fragt sich zurecht: Die CSU hat einen Wagen auf dem CSD in München? Ich möchte die dringende Frage anschließen: Warum gibt es überhaupt Wagen von Parteien, Unternehmen und der Polizei auf einer Pride?

Der radikale Ursprung queerer Prides

Genau heute vor 54 Jahren protestierten Queers aufgrund gewalttätiger Razzien und Repressionen in der Christopher Street in New York gegen die Polizei. Homosexualität war in den 50ern und 60ern in den USA noch illegal und wurden mit Geld- und Gefängnisstrafen geahndet. Daher brauchten Queers Orte, an denen sie ihre Sexualität und Genderidentität nicht verstecken mussten. Einer dieser Orte war das Stonewall Inn. Die Mafia bestachen die Polizei, keine Razzien durchzuführen, sodass sie den queeren Gästen in Ruhe Alkohol ausschenken konnten. Safe Spaces waren diese Orte trotzdem nicht und die Polizei hat sich natürlich auch nicht immer an die Abmachung gehalten. Am 28.6.1969 reichte es den queeren Gästen und sie rebellierten gegen eine Razzia. Zunächst wehrte man sich gegen Festnahmen, dann wurde die Polizei in das Stonewall Inn getrieben und die Bar wurde in Brand gesetzt. Es folgten 3-tägige Proteste, in denen nicht nur der ein oder andere Stein flog.

Nach diesem radikalen Auftakt und jahrzehntelangen Kämpfen, hat sich die öffentliche Meinung mehr in Richtung Inklusion und Gleichberechtigung verändert. Unternehmen und Parteien passen nun ihr Image an, um sich zu vermarkten. Allerdings setzen die allerwenigsten Parteien wirklich konsequent progressive Gesetze durch. Unternehmen betreiben reihenweise Pinkwashing und werden zurecht dafür kritisiert. Beispielsweise schmücken Mercedes, Porsche und BMW ihre Logos zum Pride Month mit Regenbogenfahnen. Bei den Ablegern in Nahost, bleiben die Logos aber silber. Mercedes ist außerdem in einem Verband mit Rüstungskonzernen (BDSV).

Disney verkauft nicht nur eigenen Regenbogen-Merch, sondern hat auch eigene Wägen auf CSDs, auch in Deutschland. 2022 spendete Disney aber unter anderem 190.000 Dollar an Republikaner*innen in Florida. Der Pharmahersteller Pfizer schmückt sich ebenfalls mit dem Regenbogenlogo, spendete aber rund 1 Million Dollar an queerfeindliche Politiker*innen in den USA.

Nicht zuletzt die Polizei, quasi der Nemesis der Stonewall Riots, lässt sich nicht lumpen und schickt mittlerweile Beamte mit Regenbogenuniform auf CDS. Nicht nur historisch ein Widerspruch. Betroffene von queerfeindlicher Gewalt berichten immer wieder, von Polizist*innen die bei der Bearbeitung dieser Vorfälle unsensibel bis ignorant und diskriminierend handeln. Bei alternativen radikaleren Prides, schützt die Polizei im Namen der Meinungsfreiheit auch gerne Mal rechte Journalist*innen und Influencer die Aufnahmen von den Teilnehmenden der Demonstration machen. Im Anschluss können sie mit ihren Fotos und Videos im Netz Hetze betreiben.

Das Gold könnt ihr behalten

LGBTQ*-Personen sind nicht nur von Queerfeindlichkeit bedroht, sie sind auch häufiger von Armut und Obdachlosigkeit betroffen. Für trans* Personen und mehrfachmarginalisierte queere Personen, sieht es noch düsterer aus. Gleichzeitig sind das auch die Menschen, die oft zentrale Rollen in queeren Bewegungen gespielt haben: Queere Personen mit chronischen Krankheiten, Lesben und trans* Personen of colour, queere Personen die akut von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen waren und so weiter. Kommerzielle Prides repräsentieren aber leider oft eher priviligierte, weiße, normschöne Cis-Schwule. Queer liberation hat den bitteren Beigeschmack bekommen, dass es nur innerhalb weißer, heteronormativer Normen und innerhalb der Grenzen einer kapitalistischen Gesellschaft und Wirtschaft stattfinden darf. Nicht explizit intersektionale und antikapitalistische Prides sind also eher Triebwerke für Anpassung als für Befreiung.

Unser Ziel darf nicht nur der Abbau von Vorurteilen sein. Letztlich braucht es die Überwindung der profitorientierten und wachstumsfixierten Wirtschaftsweise, um die Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen und unserer natürlichen Lebensgrundlage zu beenden. Zum Glück gibt es aber immer mehr Prides, die explizit antikapitalistisch und intersektional sind und sich nicht von Unternehmen und Parteien kaufen lassen. In Leipzig fand diesen Monat zum vierten Mal „The future is intersectional“ statt und in vielen anderen Städten wie Dresden oder Berlin, aber auch international gibt es ähnliche Initiativen.

Quellen:

www.broken-rainbow.de/wp-content/uploads/2019/09/bruschuere_wohnsitzlose-fachtagung-2019.pdf
www.williamsinstitute.law.ucla.edu/publications/lgbt-housing-instability/
www.queer.de/detail.php?article_id=45476
www.advocate.com/books/2022/2/03/18-lgbtq-books-are-banned-schools-2022#rebelltitem35
www.aclu.org/legislative-attacks-on-lgbtq-rights?impact=other
www.heute.at/s/angriff-auf-kulturzentrum-polizei-fasste-drei-taeter-100263351
www.politico.com/news/2022/04/11/disney-donation-florida-republicans-00024417
Autor*in
Foto von Parwaneh Mirassan

Parwaneh Mirassan (keine Pronomen)

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