Eine Preis-Nominierung, die wir kritisch sehen

Das Konzeptwerk wurde für den ZEIT Wissen-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit“ nominiert

11. Dezember 2017

Im Dezember 2017 wurde das Konzeptwerk für den ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit 2018 nominiert. Wir haben uns sehr über diese Anerkennung gefreut und sehen darin eine Bestätigung unserer Arbeit.

Die konkrete Ausgestaltung des Preises sehen wir jedoch kritisch. Grund ist, dass der Preis auch von der Aurubis AG ausgelobt wird.

Die Aurubis AG

Die Aurubis AG ist ein deutscher Kupferproduzent und Kupferwiederverwerter. Der Konzern produziert Kupferkathoden und stellt daraus verschiedene Produkte wie Drähte, Stangen oder Rohre her. Diese kommen dann in der Elektroindustrie, in der Bauwirtschaft, im Maschinenbau und in der Autoindustrie zum Einsatz.

Aurubis betreibt eine der größten Kupferschmelzen der Welt. Das Kupfererz und Kupferkonzentrat hierfür bezieht das Unternehmen direkt aus den Abbauländern, darunter Chile, Peru, Brasilien und Argentien. Damit spielt Aurubis in der Lieferkette für Kupfer eine zentrale Rolle. In Deutschland ist Aurubis der größte Kupferimporteur. In den letzten Jahren hat der Konzern zahlreiche Bemühungen in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte unternommen. Innerhalb der Branche gilt die Aurubis AG als ein fortschrittliches, um Nachhaltigkeit bemühtes Unternehmen. Diese Bemühungen finden wir wichtig und möchten sie nicht in Frage stellen. In Frage stellen möchten wir allerdings, ob man einen Nachhaltigkeitspreis zusammen mit der Aurubis AG ausloben sollte.

Nachhaltigkeit sieht anders aus

Wenn Nachhaltigkeit mehr sein soll als ein grünes Pflaster, das die Ausbeutung von Mensch und Natur beschönigt, dann geht es darum, drei Dimensionen ernsthaft zu berücksichtigen, die auch für die Arbeit des Konzeptwerks zentral sind: ökologische, soziale sowie ökonomische Nachhaltigkeit.

Diese Dimensionen sind nicht gleich gewichtet, sondern entsprechend dem Vorrangmodell der Nachhaltigkeit angeordnet: Die Natur setzt Grenzen für soziales und ökonomisches Handeln. Wesentliches Ziel menschlichen Strebens sollte die Ermöglichung eines guten Lebens für alle Menschen und die Wahrung der Menschenrechte sein. Wichtige soziale Ziele sind das Recht auf Nahrung, Unterkunft, Freiheit von Unterdrückung und Gewalt, das Recht auf soziale Teilhabe, die Arbeitsrechte und und und. Diesen beiden Dimensionen der Nachhaltigkeit ist die ökonomische Dimension nachgeordnet. Die Wirtschaft dient dem menschlichen Wohl innerhalb der ökologischen Grenzen. Dieses Verständnis von Nachhaltigkeit ist so grundlegend für unsere Arbeit, dass es sich in unserem Logo wiederfindet:

Der grüne Ring steht für ökologische Nachhaltigkeit und umfasst den blauen Ring der sozialen Nachhaltigkeit. Erst innerhalb der Grenzen dieser beiden Ringe findet sich die Sphäre des Ökonomischen, der rote Ring.

In dieser Hinsicht wirft die Beteiligung der Aurubis AG am ZEIT-Wissen Nachhaltigkeitspreis Fragen auf:

Die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit: Warum vergibt ein transnationales Rohstoff verarbeitendes Unternehmen, das mit seinem Bezug von Kohlestrom den Klimawandel vorantreibt, einen Nachhaltigkeitspreis?

Die Aurubis AG hat durch eine so genannte virtuelle Kraftwerksscheibe einen langfristigen Stromliefervertrag mit Vattenfall Europe auf Kostenbasis des Steinkohlekraftwerks Moorburg abgeschlossen. Kohleverstromung ist die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung. Gerade wird in Deutschland aktiv über den Kohleausstieg debattiert. Grund sind die katastrophalen ökologischen und auch sozialen Folgen der Kohleverstromung. Mehr noch: Im gegebenen Fall steht das Kohlekraftwerk Moorburg auch in der Kritik, weil bei dessen Neubau Umweltrichtlinien nicht beachtet wurden. Im April 2017 „gab der Gerichtshof der EU-Kommission, die Deutschland wegen eines Verstoßes gegen europäisches Umweltrecht verklagt hatte, weitgehend recht.“

Der rasant voranschreitende Klimawandel verletzt grundlegende soziale Rechte von Menschen auf eine sichere Existenz und Selbstbestimmung, vor allem im globalen Süden, und zerstört die ökologischen Grundlagen eines gutes Lebens für alle Menschen. Deshalb sind wir selbst seit mehreren Jahren für einen schnellen Kohleausstieg aktiv. Inwiefern ist ein Unternehmen, das sich langfristig an Kohlestrom bindet und damit den Klimawandel weiter bewusst befördert, ein glaubwürdiger Nachhaltigkeitsakteur?

Die soziale Dimension von Nachhaltigkeit: Warum vergibt ein transnationales Rohstoff verarbeitendes Unternehmen, das sich weigert transparent zu machen, wo und unter welchen Bedingungen das Kupfer abgebaut wird, mit dem es seine Millionengewinne erwirtschaftet, einen Nachhaltigkeitspreis?

Der Bergbausektor ist bekannt für Menschenrechtsverletzungen und Umweltprobleme. In der Tat kann es mitunter sehr schwierig sein, überhaupt seltene Erden, Mineralien und Metalle zu beziehen, die konfliktfrei sind. Das Unternehmen „Fairphone“ leistet hier seit 2013 Pionierarbeit – und zeigt damit die hiermit zusammenhängenden Schwierigkeiten und Grenzen fairer Beschaffung auf.

Unabhängige Studien (z.B. hier und hier) berichten immer wieder, dass Kupferminen die Lebensgrundlagen der Bevölkerung in Ländern wie Peru, Chile oder Brasilien (insbesondere durch Luft- und Bodenverschmutzungen) zerstören, woher auch Aurubis Kupfer bezieht. Aufgrund seiner Dominanz auf dem deutschen Markt wird Aurubis diesbezüglich genau beobachtet. So stellt der Bericht von Misereor „Menschenrechtliche Probleme im peruanischen Rohstoffsektor und die deutsche Mitverantwortung“ von 2013 in einem Fallbeispiel zu Aurubis fest, dass das Unternehmen Kupfer vom Antanima-Konsortium bezogen hat. Dieses ist für Umweltschäden und lokale Landnutzungskonflikte verantwortlich. 1

Allerdings bleibt unklar, aus welchen Minen Aurubis sein Kupfer aktuell bezieht. Aurubis verweigert die Veröffentlichung entsprechender Informationen auch auf wiederholte Nachfragen von Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Menschenrechtsaktivist*innen. So aber bleibt das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit eine bloße Behauptung. Eine öffentliche Überprüfung und Kontrolle ist nicht möglich. Dies belegen eine aktuelle Studie der FU Berlin, wie auch Recherchen der Frankfurter Rundschau. Die FR schreibt: „Firmen wie Aurubis drücken sich in Sachen Menschenrechte um Transparenz“. Die Politikwissenschaftlerin Melanie Müller, vormals FU Berlin, jetzt bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik, hat in ihrer Studie zu den deutschen Kupferimporten dem Fall Aurubis gleich 14 Seiten widmet. Müller zweifelt an, ob die von Aurubis in den letzten Jahren eingeführten Mechanismen ausreichen, um Menschenrechtsrisiken frühzeitig zu erfassen. Dies ist nicht nur aufgrund des ggf. vor Ort entstehenden Leids problematisch, sondern auch, weil es für die Aurubis nachgelagerte Industrien sehr schwierig wird, ihrer eigenen unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachzukommen.

All unsere Aktivitäten als Konzeptwerk Neue Ökonomie zielen auf die Verbreitung von Konzepten für eine soziale und ökologische Gesellschaft – eine Gesellschaft, in der die Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen berücksichtigt werden und ein respektvoller Umgang mit der Natur gepflegt wird. Deshalb fragen wir: Inwiefern ist ein Unternehmen, das sich grundlegenden Transparenzkriterien zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards verweigert, ein glaubwürdiger Nachhaltigkeitsakteur?

Das Konzeptwerk setzt sich für umfassende Nachhaltigkeit ein

Das Konzeptwerk Neue Ökonomie e.V. setzt sich für globale Gerechtigkeit ein. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Lebensweise der Gesellschaften der früh-industrialisierten Länder des globalen Nordens nicht mehr länger auf der Ausbeutung von Mensch und Natur, insbesondere im globalen Süden, basiert. Denn eine solche Lebensweise ist weder in ökologischer noch in sozialer Hinsicht nachhaltig. Unser Eindruck ist, dass die Aurubis AG, trotz aller Bemühungen, eine solche Lebensweise durch ihre Unternehmenspraktiken weiterhin befördert.

Deshalb sehen wir – trotz der Bemühungen von Aurubis in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte – die Kooperation des Konzerns mit dem ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit sehr kritisch. Im Zusammenhang mit dem Preis fragen wir: Inwiefern ist Aurubis geeignet, Mitglieder in eine Jury entsenden, die darüber bestimmt, wer mit „Mut zur Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet wird? Sollte Aurubis diesen Preis tatsächlich mit ausloben dürfen und sich mit der Verbindung zu einem Preis zur Nachhaltigkeit schmücken dürfen?

Mit dieser Stellungnahme wollen wir dazu beitragen, ein unserer Ansicht nach Sinn entstellendes Verständnis von Nachhaltigkeit zu hinterfragen, wie wir es in unserer täglichen Arbeit ganz grundlegend kritisieren.

Update

14.03.2018 / Auf unsere kritische Stellungnahme zur Ausgestaltung des ZEIT Wissen-Preises „Mut zur Nachhaltigkeit“ hin haben wir Gesprächsangebote vom ZEIT-Verlag wie auch der Aurubis AG bekommen und diese gern angenommen.