10 Jahre Konzeptwerk –
ein Grund zum Zurückblicken und Feiern.
Das Konzeptwerk gibt es offiziell seit dem 20.03.2012 – dem Tag unserer ersten Mitgliederversammlung zur Vereinsgründung. Daher feiern wir 2022 unser zehnjähriges Jubiläum – aber los ging es natürlich schon früher.
Im Laufe des Jahres 2011 trafen sich verschiedene Menschen in vielen unterschiedlichen Runden und überlegten, wie sie (weiterhin) gemeinsam Politik machen könnten. Dabei kristallisierte sich die Idee heraus, eine Organisation rund um alternative Ökonomien und Postwachstum zu gründen – und zwar in Leipzig. Bis auf Susanne, lebte noch niemand hier. Aber wir hatten die Stadt kennen und lieben gelernt, fanden sie inspirierend und lebenswert, auch mit einem geringen Einkommen. Also zogen im Laufe des Jahres Christopher, Johannes, Lena, Luke, Simon, Steffen und Nina in die Stadt. Im Herbst 2011 trafen wir uns für einige Tage zu einer Klausur in der Attac-Villa in Könnern. Unser erster„Rückzug“, auf dem wir die Organisation so richtig aus der Taufe hoben.
Wir verbrachten den Winter mit vielen konzeptionellen Diskussionen, der Entwicklung einer Satzung, der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten und dem Bezug unserer ersten Büroräume in der Gießerstraße 75 in Leipzig-Kleinzschocher – schon damals mit unserem befreundeten Kollektiv about:source.
Unser Team wuchs und im ersten Jahr stießen Jona, Felix, Kai und Nadine zu uns. Von Beginn an beschäftige uns die Diversität in unserer Gruppe. Zunächst waren wir nur zwei Frauen von acht Personen, woraufhin wir dringend Frauen für die „Konzeptegruppe“ (also nicht für die Bildungsarbeit) suchten. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven hat sich in den folgenden Jahren stark ausgeweitet (siehe unsere Anti-Diskriminierungsstrategie). Mittlerweile ist nur noch ein Viertel unseres Teams cis-männlich. Das liegt wohl an einer Kombination aus viel Orga-Arbeit, geringer Bezahlung, vieler fitter FLINTA und dem Vorzug von Menschen mit Erfahrungen struktureller Diskriminierung bei Bewerbungen.
Im Jahr 2012 schufen wir die erste Stelle im Bildungsbereich und wurden Träger für den Bundesfreiwilligendienst, womit wir seitdem immer mindestens drei Freiwillige als Mitarbeiter*innen beschäftigen. Der Großteil unserer Stellen finanziert sich bis heute über Förderanträge, ein Teil auch über unseren Förderkreis.
Ein zentraler Schritt in unserer Entwicklung war der Umzug ins jetzige Büro in der Klingenstraße 22. Nur 800 Meter vom alten entfernt, aber viel größer, mit einzelnen Büros, einem Besprechungsraum und einer separaten Küche. Bis zum Frühjahr 2020 war eine wiederkehrende Frage, ob die Büroplätze ausreichen – seit dem Beginn der Pandemie und viel Home-Office ist das (leider erst einmal) kein Problem mehr.
Unser erstes Projekt 2012 war die kritische Begleitung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Wachstums, Wohlstand, Lebensqualität in der sozialen Marktwirtschaft“. Das zeigte sich als guter Anknüpfungspunkt, um über die Grenzen des Wachstums und die Probleme des aktuellen Wirtschaftssystems zu sprechen. Wir knüpften dort unsere ersten Kontakte zu den drei linken politischen Stiftungen (Friedrich-Ebert-, Heinrich-Böll- und Rosa-Luxemburg-Stiftung), die eine begleitende zivilgesellschaftliche Diskussionsrunde anstießen, sowie zu Vordenker*innen zum Thema wie Ulrich Brand, Professor an der Uni Wien, und Sabine Leidig, damals Bundestagsabgeordnete für DIE LINKE.
Im ersten Jahr führten wir unter dem Motto Zeitwohlstand auch Abendveranstaltungen durch, bei denen neben inhaltlichen Vorträgen das gemeinsame gute Leben im Vordergrund stand. Mit Spieleabenden, Konzerten und Kuchenbuffets starteten wir unsere ganzheitlichen Lernräume, in denen eben nicht nur geredet wird. Gemeinsam mit FairBindung aus Berlin begannen wir zudem mit der Bildungsmethoden-Reihe „Endlich Wachstum“, die wir auch heute noch weiterentwickeln.
Inhaltlich haben wir uns stark ausdifferenziert und sind doch auch bei unseren Wurzeln geblieben. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Kritik an Macht- und Herrschaftsverhältnissen, insbesondere in der Ökonomie, und der Entwicklung von Alternativen. Transformative Bildung sowie Klimagerechtigkeit und Postwachstum sind weiterhin unsere Hauptthemen. Mit der Degrowth-Konferenz 2014 sind wir in Deutschland als zentrale Organisation, die zu Degrowth arbeitet, sichtbar geworden. Unser Engagement hierzu vertieften wir in den Folgejahren mit den Degrowth-Sommerschulen, dem Webportal degrowth.info sowie unseren Publikationen zum Thema. Seit 2017 arbeiten wir auch zu Care-Arbeit und feministischer Ökonomie. 2017 arbeiteten wir für ein Jahr zum Thema Migration und selbstbestimmte Entwicklung und organisierten dazu mit migrantischen Kooperationspartner*innen eine Konferenz. Zwei Jahre wandten wir uns dem Thema Ernährungssouveränität zu, was unter anderem in der Mitgründung des Leipziger Ernährungsrates mündete. Um unsere Degrowth-Visionen zu konkretisieren, folgte 2019-2021 das Projekt Zukunft für alle. Mit dem Thema Digitalisierung weiten wir seit 2019 unsere Arbeit für die technische Seite der sozial-ökologischen Transformation aus. Und mit dem Mitwirken bei #unteilbar versuchten wir, die Verbindung zwischen Klimagerechtigkeit und einer solidarischen, diskriminierungsfreien Gesellschaft voranzubringen. Unser aktuelles Projekt Gemeinsam.Gerecht.Global. entwickelten wir mit diversen Akteur*innen und nun setzen wir uns gemeinsam für mehr Gerechtigkeit in einer postmigrantischen Gesellschaft ein.
Kern des Konzeptwerks war und ist, dass wir ein Kollektiv sind. Das heißt, dass wir möglichst hierarchiearm arbeiten und Entscheidungen gemeinsam treffen. Als professionell funktionierende Organisation mit externen Zwängen und begrenzten Mitteln hat dies auch seine Grenzen – und trotzdem ist es für uns ein Erfolgsmodell und wir entwickeln es ständig weiter.
Unser Kollektiv-Dasein ernst zu nehmen heißt für uns, eine praktikable Mischung zu finden: aus gemeinsamen Entscheidungen und Arbeitsteilung, aus klaren Verfahren und Infragestellen von Prozessen, aus niedrigen Gehältern mit geringen Gehaltsunterschieden und finanzieller Absicherung, aus personeller Kontinuität und Rollenrotationen. Zentral dabei ist, Projekte gemeinsam zu entwerfen, machtkritischen Prozessen genügend Raum zu geben und Verantwortungen zu verteilen.
Dabei haben wir über die Zeit verschiedene Arbeitsgruppen etabliert: wie dauerhaft die Finanz-, Strategie- und Anti-Diskriminierungs-AG; oder für bestimmte Zeiträume Fokusgruppen. Es bedarf viel Zeit für die Gruppe und viel Vertrauen – aber es zahlt sich in einer sehr guten Arbeitsatmosphäre und einem ehrlichen Umgang mit Bedürfnissen aus.
Autor*innen:
Nina Treu (sie),
Mitbegründerin & Team Klimagerechtigkeit
Julian Wortmann (er),
Gesamtkoordination & Team Transformative Bildung
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