„Wir im Norden müssen uns auf den
schwierigen Weg der Veränderung machen“

Ulrich Brand im Interview mit Christopher Laumanns
14. Juni 2018
Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik in Wien und vielseitig
politisch aktiv. Wir lernten ihn durch unsere kritische Begleitung der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages kennen, deren Mitglied er war. Seitdem arbeiten wir nicht nur häufig zusammen, Prof. Brand ist auch Fördermitglied des Konzeptwerks. Christopher hat mit ihm darüber gesprochen, warum er das Konzeptwerk unterstützt und wie er politisch motiviert bleibt.

 

Christopher Laumanns: Lieber Uli Brand, wir arbeiten oft inhaltlich zusammen und
Du bist ein Fördermitglied des Konzeptwerks. Warum unterstützt Du gerade uns auch finanziell?

Ulrich Brand: Das Konzeptwerk ist eine der besten Initiativen im Zusammenspiel von kritischer Wissensproduktion und emanzipatorischen sozialen Bewegungen, die ich kenne. Außerdem
möchte ich unterstützen, dass so viele engagierte und integre Menschen, die wirklich die Gesellschaft verändern wollen, sich auf solch solidarische Weise zusammentun

Dich und uns beschäftigt ja, wie eine sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Wie siehst Du Deine Rolle in den kommenden Jahren?

Ihr meint, neben der Unterstützung für das Konzeptwerk? Im Ernst: Die sehe ich insbesondere in Forschung und Lehre; gerade an der Uni Wien erreiche ich viele Studierende und wir haben jede Menge kritische und engagierte Leute. In der Forschung bearbeite ich Themen wie den Umbau der Automobilindustrie in Europa oder Alternativen zum vorherrschenden  Entwicklungsmodell in Lateinamerika, welches auf der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen beruht. Aber ich versuche natürlich auch, mich über die Universität hinaus öffentlich zu engagieren.

Welche Hoffnungen hast Du für die Zukunft des Konzeptwerks – und wo siehst Du Gefahren?

Macht weiter wie bisher und verändert euch umsichtig, reflektiert. Es ist gut, wenn ihr mehr Projekte macht und auch mehr Menschen im Konzeptwerk tätig sind. Die Gefahr liegt – wie immer bei solch einer Art sich zu organisieren – dass es auch gefühlt immer um sehr viel geht und die Einzelnen sich überfordern.

„Wir sollten gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen, auf einem guten Leben im Hier und Jetzt für uns und unsere Mitmenschen bestehen. Gerade nicht zynisch und unsolidarisch, auf die eigene Karriere und den eigenen Konsum fixiert.“

Klimawandel, Kriege, erstarkte rechte Bewegungen… die Situation macht viele Menschen fatalistisch. Ich finde Du schaffst es immer wieder, Optimismus und Tatendrang zu vermitteln. Was inspiriert Dich in dieser Zeit?

Zum einen Menschen wie ihr in eurer Generation. Das ist wirklich so. Zum anderen bin ich ja in den für kritisches politisches Denken ziemlich tristen 1990er Jahren aktiv gewesen, doch auch damals gab es viele tolle, engagierte und integre Menschen. Das hat mich auch für mein wissenschaftliches Tun motiviert. Dazu kommen meine Erfahrungen in Lateinamerika, in den 90ern vor allem in Chiapas mit den Zapatistas. Damals habe ich als jemand aus dem globalen Norden, der zudem mit so vielen Privilegien ausgestattet ist, die Perspektive eingenommen, dass wir im Norden uns auf den schwierigen Weg der Veränderung machen müssen. Na, und schließlich
sollten auch wir, die wir gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen, auf einem guten Leben im Hier und Jetzt für uns und unsere Mitmenschen bestehen. Gerade nicht zynisch und
unsolidarisch, auf die eigene Karriere und den eigenen Konsum fixiert, sondern eben ein neugieriges, interessantes, sinnerfülltes… ja, auch anstrengendes Leben, weil wir solidarisch
sind und was zum Besseren verändern wollen. Dafür brauchen wir geeignete Lebens- und Arbeitszusammenhänge.

Das Interview mit Ulrich Brand haben wir für unseren Jahresbericht 2017 geführt.