Gespräch mit Aurubis & ZEIT-Verlag

Wie geht es weiter mit unserer Nominierung für den ZEIT Wissen-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit 2018“?

14. März 2018

Auf unsere kritische Stellungnahme zur Ausgestaltung des ZEIT Wissen-Preises „Mut zur Nachhaltigkeit“ hin haben wir Gesprächsangebote vom ZEIT-Verlag wie auch der Aurubis AG bekommen und diese gern angenommen. Wir fanden die Gespräche wertvoll, um besser nachzuvollziehen, wie beide Akteure ihre Haltung und ihr Verhalten begründen. Auch nach diesen Gesprächen, die Anfang 2018 in Hamburg stattfanden, überzeugen uns die Argumente für die Einbindung der Aurubis AG in den Nachhaltigkeitspreis allerdings nicht:

Wir fordern eine tatsächlich öffentliche und sehr viel grundlegendere Diskussion zur Rolle von bergbaunahen Konzernen für eine sozial-ökologische Gesellschaft

Mit der Auslobung des Preises will der ZEIT-Verlag nach eigenen Angaben eine öffentlichkeitswirksame Plattform für das Thema Nachhaltigkeit und die Rolle großer Unternehmen darin schaffen. Indem die Aurubis AG sowohl an der Auslobung als auch der Jury beteiligt ist, soll auch deren Nachhaltigkeitsverständnis und -engagement kritisch hinterfragt und zur öffentlichen Diskussion gestellt werden. Der ZEIT-Verlag argumentiert, mit dem Zusammenbringen großer transnational arbeitender Konzerne und verschiedener, auch bewegungsnaher Nachhaltigkeitsakteure den Austausch über gesellschaftliche Nachhaltigkeitsstrategien voranbringen zu wollen. Doch:

Es mangelt an Transparenz und expliziten Diskussionsräumen

Aktuell werden mit verschiedenen Veröffentlichungen (Pressemitteilungen, Artikel im ZEIT Wissen Magazin, Berichte über die Preisverleihung) der Preis, die hieran Beteiligten sowie die Nominierten publik gemacht. Allerdings wird hieraus der Öffentlichkeit nicht deutlich, dass der Preis eine Funktion als öffentliche Diskussionsplattform haben soll. Wenn im Rahmen des Preises außerdem ein Dialog zwischen explizit sehr unterschiedlichen Nachhaltigkeitsakteuren stattfinden soll, dann muss dies einerseits allen Beteiligten deutlich gemacht und nicht erst auf Nachfrage kommuniziert werden, um Konflikten und Missverständnissen vorzubeugen. Andererseits müssen dafür auch konkrete Austauschräume geschaffen werden. Bisher ist dafür nur die Veranstaltung der Preisverleihung vorgesehen. Das ist aus unserer Sicht nicht ausreichend. Dies ist bedauerlich, da wir die Idee einer Diskussionsplattform mit heterogenen Akteuren – von denen es sehr wenige gibt – grundsätzlich schätzen.

Es wird ein schwaches Nachhaltigkeitsverständnis implizit vorausgesetzt und nach außen kommuniziert

Der ZEIT-Verlag betont, dass auf der Plattform des Preises alle Nachhaltigkeitsverständnisse Platz haben sollen. Dies ist aus unserer Sicht nicht der Fall, wenn die Aurubis AG den Preis mitauslobt und dies nicht proaktiv problematisiert wird. Die Plattform bekommt so Schlagseite. Denn mit ihrer beschriebenen Öffentlichkeitsarbeit zum Preis tragen die Auslobenden, der ZEIT-Verlag und die Aurubis AG zum Diskurs über Nachhaltigkeit bei. Mit dem Preis wird ein Nachhaltigkeitsverständnis angenommen und nach außen kommuniziert, das im Diskurs als „schwache“ Nachhaltigkeit bezeichnet wird. Es wird impliziert suggeriert, dass eine auf technologischen Lösungen und unverbindlichen Regelungen basierende Nachhaltigkeit im Sinne von Aurubis ausreicht, um die aktuellen sozial-ökologischen Probleme zu lösen. Dabei werden grundsätzlichere Problem nicht angegangen, die mit dem Bergbau und der energieintensiven Verarbeitung von Rohstoffen wie Kupfer einhergehen. Rohstoffexpert*innen wie Susanne Friess (Misereor) halten deshalb Umweltschutz und Bergbau generell für unvereinbar.

Wir vertreten dagegen ein „starkes Nachhaltigkeitsverständnis“, das heißt, wir gehen davon aus, dass Fragen ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit gegenüber ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen vorrangig sind und deshalb u.a. die Gewinnorientierung von Unternehmen weitreichender Nachhaltigkeit im Weg steht.

Wir erwarten vom ZEIT-Verlag als öffentliches Medium transparent zu machen, welches Verständnis von Nachhaltigkeit der Ausgestaltung des Preises zugrunde liegt und dies damit auch öffentlich zur Diskussion zu stellen.

Nach den beiden Gesprächen mit dem ZEIT-Verlag und der Aurubis AG ist uns also weiterhin unklar, wie die Aurubis AG konkret in die Verantwortung genommen werden soll. Noch immer hält der Konzern mit Verweis auf wettbewerbsrechtliche Gründe geheim, aus welchen Kupferminen er seine Rohstoffe bezieht. Recherchen verschiedener Expert*innen deuten darauf hin, dass es gegen einige dieser in Frage kommenden Minen erhebliche Vorwürfe gibt, weil diese Menschenrechte missachten und gravierende Umweltschäden verursachen. Zwar setzt sich die Aurubis AG für allgemeinverbindliche Transparenzregeln für den Bergbausektor ein. Solange der Konzern jedoch selbst die Transparenz verweigert, stellt er ökonomische Gründe über soziale und ökologische Belange. Eben das widerspricht unserem oben dargestellten Verständnis von Nachhaltigkeit fundamental. Aurubis‘ langfristige Kohlestrom-Nutzung, Firmengeschichte und etwaige Menschenrechtsverletzungen werden im Rahmen des Preises nicht thematisiert. Deshalb bleibt für uns auch nach den Gesprächen zweifelhaft:

Warum einen Nachhaltigkeitspreis mit der Aurubis AG ausloben?

Soll die Aurubis AG im Rahmen des Preises kritisch begleitet werden, müssten im Rahmen des Nominierungsprozesses folgende Fragen in dafür vorgesehenen Austauschräumen explizit und transparent diskutiert werden:

Unternehmensformen & Gemeinwohl: Inwiefern kann ein börsennotierter Konzern wie Aurubis überhaupt soziale und ökologische Belange über die Profitinteressen seiner Aktionär*innen stellen? Was bedeutet es, einen profitorientierten transnationalen Konzern in die soziale und ökologische Verantwortung zu nehmen?

Mitbestimmung der Betroffenen: In welchem Umfang würden Menschen, die in Kupferabbau-Regionen leben, dem Abbau der Rohstoffe und den damit verbundenen Umweltbelastungen im Rahmen demokratischer Verfahren überhaupt zustimmen? Wem stehen die Gewinne der Rohstoffausbeutung zu? Wie lässt sich tatsächlich erreichen, dass die Lebensweise der Gesellschaften der früh-industrialisierten Länder des globalen Nordens nicht mehr länger auf der Ausbeutung von Mensch und Natur, insbesondere im globalen Süden, basieren? Was bedeutet dies für die Verantwortung von Aurubis als Abnehmer der Ressourcen?

Ökologische & soziale Grenzen: Sind Bergbau und Umweltschutz überhaupt miteinander vereinbar? Falls nein, was bedeutet das für die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Produktions- und Konsummuster auf der Welt? Wie kann sich die Welt demokratisch darüber einig werden, in welchem Umfang produziert und konsumiert werden kann, wenn ökologische und soziale Belange tatsächlich unverhandelbar sind? Welche Produktions- und Lebensweisen sind notwendig, um die aktuellen sozial-ökologischen Krisen zu lösen?

Wenn wir im Rahmen eines Nachhaltigkeitspreises anfangen über solche Fragen zu diskutieren, führen wir eine ernsthafte Diskussion über Nachhaltigkeit.

Akteure zusammenbringen reicht nicht: Es braucht die richtigen – öffentlich geführten – Diskussionen

Nach unserer Wahrnehmung vermittelt der ZEIT Wissen-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit“ bislang lediglich die Botschaft: Lasst uns viele verschiedene Akteure – große wie kleine – zusammenbringen, die alle versuchen, etwas Gutes zu bewirken, dann tragen wir schon dazu bei, dass die Gesellschaft nachhaltiger wird. Ein wirklicher Dialog ist bisher nicht vorgesehen. Wenn wir mit der sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft wirklich vorankommen wollen, kommen wir an grundsätzlichen und zum Teil tief ins Selbstverständnis unser kapitalistisch geprägten Gesellschaften gehenden Fragen nicht vorbei (Stichwort: Lebens- und Produktionsweisen).

Wir möchten diese Fragen auf der Veranstaltung zur Preisverleihung am 20. März in Hamburg stellen. Auch deshalb haben wir die Nominierung des Preises angenommen. Wir sind überzeugt, dass es genau diese Fragen sind, die auch offensiv nach außen getragen werden müssen, wenn man einen Nachhaltigkeitspreis gemeinsam mit einem transnationalen bergbaunahen Konzern auslobt.

Im Falle eines Preisgewinns: Unterstützung von Zivilgesellschaft in Südamerika

Im Vorfeld der Preisverleihung im März 2018 haben wir beschlossen, für den Fall, dass wir als einer von drei Nominierten in der Kategorie „Wissen“ den Preis und das damit verbundene Preisgeld erhalten sollten, dieses Geld an das Organisationsnetzwerk „Red Muqui“ aus Peru weiterzuleiten. Das Netzwerk engagiert sich kritisch zu den Praktiken der Bergbaukonzerne und deren Geschäftspartner*innen. Hier arbeiten Akteure, die sich für Menschen einsetzen, die von Gesundheitsproblemen, Vertreibung, Umweltbelastungen und Menschenrechtsverletzungen betroffen sind. Das Preisgeld in der Kategorie Wissen wird nicht von der Aurubis AG gestellt, sondern von der Stiftung „Forum für Verantwortung“.

 

Im Dezember 2017 wurde das Konzeptwerk für den ZEIT Wissen-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit 2018“ nominiert. Warum sehen wir den Preis kritisch?
Update

Am 20. März fand in Hamburg die Preisverleihung statt. Wir waren dort und haben unsere Kritik an der Beteiligung des Kupferkonzerns Aurubis klar gemacht. Der ZEIT Wissen-Preis in der Kategorie „Wissen“ wurde an die Umweltorganisation Yeşil Çember – ökologisch interkulturell verliehen, die türkischsprachige Menschen in Deutschland mit Aufklärungsmaterialien und Veranstaltungen für Umweltthemen aktiviert. Herzlichen Glückwunsch!

Yeşil Çember hat uns freundlicherweise 500 € vom Preisgeld geschenkt. Wir haben das Geld am 20. April anlässlich der Vorstellung einer Studie zu Entwicklungsalternativen in den Bergbauregionen Perus (https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/19346) an Javier Jahncke, den Koordinator des bergbaukritischen Netzwerks RED MUQUI, übergeben.

Foto: Phil Dera für DIE ZEIT