Zeitwohlstand

Theaterwerkstatt zu mentalen Infrastrukturen der Beschleunigung

25. August 2016

Ein Rückblick auf unsere Theaterwerkstatt im August 2016

Die soziale Beschleunigung ist das Phänomen unserer Tage. Viele Menschen leiden unter Zeitnot und dies bleibt für unsere Leben nicht folgenlos: Wir sind überfordert, gestresst und wären gerne ganz anders, kommen aber viel zu selten dazu. Letztlich erschwert die Zeitknappheit damit das Versprechen auf ein gutes Leben.

Doch wo kommt sie eigentlich her? Neben systemischen Zwängen ist sie Folge von Wachstums- und Beschleunigungsvorstellungen, die wir unbewusst und meist unhinterfragt verinnerlicht haben. Wie verhält sich die tief verankerte kulturelle Prägung des Wachstums zu unserem Wunsch nach einem sozial-ökologischen Wandel? Wie kann ein tiefgreifender kultureller Wandel unserer Selbst- und Weltbilder aussehen, ohne den alle rein technologischen und verhaltensorientierten Strategien der Nachhaltigkeit nicht ausreichen? Wie können wir in Zeitwohlstand leben ohne uns selbst, andere und die ökologischen Systeme auszubeuten?

Was hat uns geprägt? Was beschäftigt uns heute? Wie möchten wir gelebt haben?

Vom 15.-19. August haben wir in der Theaterwerkstatt „Zeitwohlstand“zu diesen Fragen gearbeitet. Wie im letzten Jahr haben wir auch dieses Mal wieder sehr erfüllend mit Dominik vom Transition Theater zusammengearbeitet. Jeder Tag begann mit einer morgendlichen Wandelstunde, in der sich die 14 Teilnehmer*innen individuell oder gemeinsam mit alternativen Denk-, Fühl- und Handlungsmuster auf der Grundlage des Konzepts der psychischen Ressourcen für Postwachstumsgesellschaften experimentieren konnten. Anschließend haben wir an den drei Kerntagen entlang der Fragen „Was hat uns geprägt?“, „Was beschäftigt uns heute?“, „Wie möchten wir gelebt haben“ gearbeitet. Dabei haben wir Methoden des „Theater der Unterdrückten“ und des „Theater zum Leben“ mit theoretischen Degrowth-Perspektiven verflochten.

Mit theoretischen, praktischen und spielerischen Zugängen haben wir die mentalen Infrastrukturen erkundet, die uns zu Beschleunigung aber auch zu Selbstoptimierung und Naturbeherrschung treiben. Wir haben partizipative Theatermethoden aus dem “Theater der Unterdrückten” und “Theater zum Leben” genutzt. Diese Erweiterung kognitiver Wissensvermittlung durch eine sinnliche Auseinandersetzung soll die konkrete Erprobung alternativer Denk-, Fühl- und Handlungsmuster ermöglichen. Die wunderschöne Lage des Veranstaltungsorts mit See und Park hat dafür einen passenden Rahmen geboten.

Austausch zwischen den Generationen

Ein besonderer Schwerpunkt der Theaterwerkstatt lag auf dem solidarischen Austausch zwischen den Generationen, denn die Lebenswelten der Menschen unterschiedlichen Alter fallen in der Beschleunigungsgesellschaft zunehmend auseinander. Wer unter Zeitnot leidet, wird zudem weniger Energie und Aufmerksamkeit für Menschen außerhalb der eigenen Bezugsgruppe übrig haben. Generationengerechtigkeit ist ein wesentliches Kriterium umfassender Nachhaltigkeitsdefinitionen, daher wollten wir die Beziehungen zwischen den Generationen knüpfen und mit denen anfangen, die jetzt und hier leben.

Mal ging es spielerisch und mal sehr ernst zu. Nebenher und dennoch nicht am Rande, gab es für die 14 Teilnehmer_innen viele Möglichkeiten, Schwimmen zu gehen, zu lesen, sich auszutauschen oder einfach nur faul zu sein – in Zeiten umfassender Beschleunigung eine nicht zu vernachlässigende Praxis. Auch die Begleitung der Theaterwerkstatt durch eine Forscherin aus Zürich, die zu transformativem Lernen und Bildung für sozial-ökologische Transformationen arbeitet, hat die Woche bereichert und nochmal den Blick auf uns selbst geschärft.