Feministische Bildungswoche

26. Februar 2020

 

Unter dem Motto „Für Sorge“ veranstaltet das Konzeptwerk Neue Ökonomie vom 29. Februar bis 08. März 2020 in Leipzig eine feministische Bildungswoche für eine andere Wirtschaft. Andrea Vetter hat mit den Organisator*innen Mia Smettan, Mike Korsonewski und Aileen Mirasyedi über die Veranstaltungsreihe gesprochen, ihre Motivation das zu organisieren und was mensch bei einem Konzeptwerk-Praktikum lernen kann.

Andrea: Warum habt ihr eine feministische Bildungswoche zu Sorgearbeit organisiert?

Mia: Das Thema Care oder Sorge wird immer noch viel zu wenig öffentlich besprochen. Aber es gibt viele aktive Menschen und Initiativen, die damit zu tun haben, die selber zu Hause Pflege leisten, im Gesundheitssystem arbeiten oder das als politisches Thema bearbeiten. Viele dieser Gruppen machen einen Workshop während der feministischen Bildungswoche und sind beim Auftakt oder Abschluss dabei, mit ihrer je eigenen Perspektive auf das Thema Sorgearbeit.

Andrea: Warum nennt ihr das feministisch, und nicht einfach „Bildungswoche zu Sorgearbeit“?

Mike: Die Woche beginnt ja mit dem Equal Care Day am 29.02. und endet am 8.03., dem Frauenkampftag. Diese beiden Daten verbinden wir über die Bildungswoche, weil wir finden, dass Sorgearbeit und Feminismus zusammen gehören. Nach wie vor leisten mehrheitlich weiblich sozialisierte Personen den Großteil der bezahlten und unbezahlten Sorgearbeit. Die Frage nach feministischer Wirtschaftskritik und anderem Wirtschaften steckt mit drin, und diesen Zusammenhang wollen wir hervorheben. In dieser anderen Wirtschaft soll „Care“ im Mittelpunkt stehen. Wie das genau aussieht, das ist Teil der Bildungswoche. Eine zentrale Forderung ist, Care und die Bedürfnisse von Menschen ins Zentrum zu stellen, statt Wachstum und Profit.

Andrea: Für wen ist die Bildungswoche gedacht?

Mia: Wir richten uns an Menschen aus Leipzig oder der Region, vor allem für die Veranstaltungen unter der Woche. Zu den Wochenendveranstaltungen haben wir auch Referent*innen von auswärts eingeladen, die das in ihren Netzwerken teilen. Von den Vorkenntnissen her sind das sehr verschiedene Niveaus der Veranstaltungen. Es gibt zum einen Referent*innen, die zu bestimmten Themen im Care-Bereich arbeiten, wie zum Beispiel das Medinetz; oder Menschen, die aktivistisch zu Feminismus und Migration arbeiten, zum Beispiel DaMigra oder Women in Exile. Einige Veranstaltungen sind einführende, manche werfen einen speziellen Blick auf bestimmte Themen für Leute, die das vertiefen wollen. Wir werden außerdem unterstützt vom Dolmetscher*innen-Kollektiv Interprise. Und es wird auch Kinderbetreuung geben. Das ist auch ein Gedanke, die Veranstaltungen möglichst inklusiv und bedarfsgerecht zu organisieren, für junge wie ältere Menschen.

Andrea: Feministische Bildungswoche – ist das denn auch was für Männer?

Mike: Na klar! Überwiegend sind die Veranstaltungen offen für alle Geschlechter. Eine Veranstaltung ist explizit ein Empowerment für FLINT of Colour (das bezeichnet Frauen, Lesben, intersexuelle oder transidente Personen, die rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind). Damit folgen wir vielen etablierten feministischen und antirassistischen Strategien: Schaffen zum einen eine für alle offene pro-feministische Öffentlichkeit. Und achten zum anderen aber auch auf das Bedürfnis von marginalisierten Gruppen nach sicheren Räumen, um dort die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken.

Andrea: Was wird genau bei der Woche passieren?

Mike: Am 29. Februar ist die Auftaktveranstaltung. Der Equal Care Day ist ein besonderer Tag, um ein Zeichen gegen die Unsichtbarkeit von unbezahlter Arbeit zu setzen. Ein Teil unserer Workshop-Referent*innen und Kooperationspartner*innen sind dabei. Alle können aktiv mitmachen, es geht nicht darum, sich von vorne zutexten zu lassen. Der Auftakt findet im Zentrum Frauenkultur in Connewitz statt, das ist auch selbst ein interessanter Ort. Weitere Veranstaltungsorte sind im Laufe der Woche das Pögehaus im Osten von Leipzig und das Nachbarschaftszentrum Lindenau im Westen. Das gesamte Programm ist nun auch online.

Andrea: Seht ihr einen Zusammenhang zu anderen Projekten des Konzeptwerks, wie „Zukunft für alle“, der großen Konferenz, die Ende August ebenfalls in Leipzig stattfinden wird?

Mia: Ja, den Zusammenhang gibt es. Wir haben auch Veranstaltungen auf der Bildungswoche zum Thema Perspektiven und Utopien. Und bei „Zukunft für alle“ wird es einen Strang geben zum Thema Care. Vielleicht werden auch Referent*innen und Kooperationspartner*innen der Bildungswoche wieder zur Konferenz eingeladen, um so eine dauerhafte Zusammenarbeit zu etablieren.

Andrea: Das war bestimmt ganz schön viel Arbeit, die Bildungswoche vorzubereiten, oder?

Mia: Mike und ich sind seit November mit der Organisation beschäftigt. Letztes Jahr hat uns noch Charlotte unterstützt, die nun gerade eine Auszeit genommen hat. Seit Januar hilft uns Aileen im Rahmen eines Praktikums.

Mike: Viele andere Gruppen haben aber neben uns mitgeholfen, haben ihre Veranstaltungen vorbereitet und wir haben gemeinsam Werbung gemacht.

Andrea: Wie ist es so, im Rahmen der Bildungswoche ein Praktikum zu machen?

Aileen: Ich würde ein Praktikum beim Konzeptwerk auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich lerne viele unterschiedliche Sachen: Organisationsarbeit, Räume koordinieren, das Programm und die Workshops zu koordinieren. Aber auch viel Öffentlichkeitsarbeit und Texte schreiben.

Andrea: Und wie geht es euch jetzt, kurz vor Beginn der Woche?

Mia: Wir freuen uns sehr darauf! Ich freue mich, dass das Programm so bunt geworden ist. Das Thema ist ja sehr vielfältig: Von der Einführungsveranstaltung „Was ist Sorgearbeit?“; über die Frage, wie gestreikt werden kann; hin zu ganz praktischen Dingen, zum Beispiel wie sieht Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete aus; oder zu Berichten über Bewegungen auf anderen Kontinenten wie Südamerika. Toll, dass es so breit aufgestellt ist!

Das gesamte Programm der Bildungswoche findet ihr hier.
You will find the entire program of the Education Week here.

Mia Smettan

hat Soziale Arbeit studiert. Sie lebt in Leipzig und arbeitet seit zwei Jahren beim Konzeptwerk Neue Ökonomie zu den Themen Care, Arbeit und feministische Ökonomiekritik.

Mike Korsonewski (M.A.)

ist Jahrgang 1988 und lebt seit kurzem in Leipzig. Er arbeitet seid etwas mehr als eineinhalb Jahren beim Konzeptwerk Neue Ökonomie zu den Themen Care, Arbeit, feministische ökologische Ökonomiekritik und ist im Netzwerk Care Revolution aktiv.