Bausteine für Klimagerechtigkeit

Transformativ.
Solidarisch.
Machbar.
Autofreie Städte
Zusammenfassung

Autos nehmen extrem viel Platz in unseren Städten ein, sind am
Großteil der Verkehrsunfälle beteiligt und für Lärm und
Luftverschmutzung verantwortlich.

Deutschlands Städte haben sich in einer multiplen Verkehrskrise festgefahren. Innenstädte sind mit Autos verstopft, Abgase und Feinstaub führen zu tausenden Todesfällen jedes Jahr. Die meisten Verkehrsunfälle ereignen sich in Städten und an 72% sind Autos beteiligt. Der Verkehrssektor ist in erheblichem Maße an der Klimakrise beteiligt und für ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. Gleichzeitig ist er der einzige Sektor, in dem die Emissionen nicht zurückgehen. Auch ist der öffentliche Raum hochgradig ungerecht verteilt: So sind in Berlin 58% aller Verkehrsflächen dem Auto gewidmet, obwohl nur 30% aller Wege mit dem Auto zurückgelegt werden.

Damit Städte Raum für ein gutes und gesundes Leben bieten, muss die Zahl der Autos drastisch reduziert werden.

Der öffentliche Raum bietet riesige Potenziale, die Lebensqualität der Stadtbewohner*innen zu verbessern. Wo Straßen nicht mehr vorrangig für Autos da sind, kann Platz für Begegnung in der Nachbarschaft entstehen. Dafür braucht es einen Perspektivwechsel: Schluss mit der Planung der letzten Jahrzehnte, die das schnelle Vorankommen mit dem Pkw zum zentralen Ziel der Stadtgestaltung gemacht hat. Statt auf reinen Antriebswechsel zu setzen, sollte Deutschlands Automobilsektor eine umfassende Mobilitätswende vorantreiben. In den Städten muss es jetzt darum gehen, die Bewohner*innen, ihre Gesundheit, die Aufenthaltsqualität und gerechte Verteilung des öffentlichen Raums sowie den Klima- und Artenschutz in den Mittelpunkt zu rücken.

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Unsere Städte wurden für Autos gebaut – mit gravierenden Folgen für das Leben der Stadtbewohner*innen und -besucher*innen. Mit mehr Fokus auf die Menschen können wir Lebensqualität, saubere Luft, Platz für Begegnung, Sicherheit und mehr Klimagerechtigkeit gewinnen. Dazu müssen wir die Zahl der Autos in Städten drastisch reduzieren. Lesen Sie mehr dazu in unserem neuen Dossier.

Maßnahmen auf dem Weg zur autobefreiten Stadt

Für soziale und ökologische Gerechtigkeit in Städten müssen andere Formen der Mobilität erleichtert und die Privilegien des Autos im öffentlichen Raum abgebaut werden.

Für mehr soziale und ökologische Gerechtigkeit in unseren Städten gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die jetzt umgesetzt werden können und die den Umstieg in andere Formen der Mobilität erleichtern (Pull-Maßnahmen) und die Privilegien des Autos im öffentlichen Raum abbauen (Push-Maßnahmen). Bei all diesen geht es darum, in der Verkehrs- und Stadtplanung den Umweltverbund (Rad-, Fußverkehr und ÖPNV) anstelle des Autos zu bevorzugen.

Pull-Maßnahmen können den Umstieg in andere Formen der Mobilität erleichtern:

Damit sich Menschen in den Städten nicht gezwungen sehen, für die Wege des Alltags ein Auto zu besitzen, brauchen wir einen starken Umweltverbund. Das erfordert zum einen Investitionen in den ÖPNV, damit es ein engmaschiges Liniennetz und dichte Taktungen geben kann. Verkehrsmittel und Haltestellen sollten grundsätzlich barrierefrei und die Nutzung des ÖPNV kostenfrei oder einkommensabhängig bepreist sein. Zum anderen gilt es, sichere Fahrradwege zu schaffen und Radwegenetze auszubauen. Ampelschaltungen sollten sich am Radverkehr orientieren und Kreuzungen sicherer für Zufußgehende und Rad- und Rollstuhlfahrende gestaltet werden. Und für den Großeinkauf oder Umzug sollten alle leichten Zugriff auf Lastenräder, Autos und Transporter von Sharing-Systemen in ihrer Nähe haben. All diese Anreize führen dazu, dass aktive und nachhaltige Mobilität viel attraktiver für Bewohner*innen und Besucher*innen der Städte wird.
Push-Maßnahmen: Privilegien des Autos abbauen

Durch Push-Maßnahmen können die Privilegien des Autos im öffentlichen Raum gezielt abgebaut werden.

Der Umweltverbund sollte für den Großteil der Menschen in den Städten die zuverlässigere und kostengünstigere Alternative im Vergleich zum privaten Pkw sein. Dafür müssen dem Auto auch Privilegien, wie z.B. das kostengünstige Parken im öffentlichen Straßenraum, entzogen werden. Für die schnelle und tiefgreifende Umgestaltung unserer Städte braucht es daher Maßnahmen, die das Autofahren im Vergleich zum Umweltverbund unattraktiver machen:
Parkflächen reduzieren und Begegnungsräume schaffen

Die Realisierung einer autobefreiten Stadt erfolgt schrittweise über die Anpassung des Parkraummanagements und die Steuerung des Parkens über die Parkkosten. Das geschieht durch kostenpflichtige Parkhäuser, die Vergabe von Anwohner*innenparkausweisen für konzentrierte Parkflächen, die Reduzierung der Parkplätze und höhere Bepreisung von Parken im Straßenraum. Diese Einnahmen werden in die Umgestaltung des öffentlichen Raumes und den Ausbau des Umweltverbundes investiert.

Auto-Privilegien schrittweise abbauen

Finanzielle Anreize für den Autobesitz wie das Dienstwagenprivileg müssen sofort abgeschafft werden. Stattdessen sollte in den Umweltverbund investiert werden, oder in Prämien für Haushalte, die ihre Pkw abschaffen. Auch im Steuersystem braucht es eine grundlegende Reform, um die Kfz-Steuer und Neuzulassungssteuer gerechter zu gestalten. Mögliche Instrumente, um die Kosten des Autoverkehrs einzupreisen, sind neben Steuern zudem die Pkw-Maut und die City-Maut.

Gesetzlichen Rahmen anpassen
Um die Mobilitätswende voranzutreiben, braucht es grundlegende gesetzliche Veränderungen. Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und die nachhaltige städtebauliche Entwicklung müssen in die offiziellen Zwecke des Straßenverkehrsrechts aufgenommen werden. Das Parken im öffentlichen Raum darf nicht länger per Gesetz zur Norm erklärt sein. Auch im Baurecht braucht es eine Kehrtwende: Die Festlegung, dass die Beschränkung von Parkraum besonderer Begründung bedarf, gilt es umzudrehen. Im Bauordnungsrecht der Länder sollte außerdem die Stellplatzpflicht abgeschafft werden.
Mit Verkehrsberuhigung Städte entlasten

Durch gezielte Straßenführung können viele Gegenden in der Stadt von den Belastungen durch den Autoverkehr befreit werden. Einbahnstraßen für den Autoverkehr, Diagonalsperren, Fahrrad- und Spielstraßen können ein Großteil der Autos auf umliegende Hauptverkehrsstraßen leiten. Auf Bundesebene sollte grundsätzlich Tempo 30 innerhalb von Ortschaften festgelegt werden.

Beitrag zur Transformation
Autofreie Städte sind gerechter
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Wo weniger Autos fahren und parken, wird gesundes Leben überhaupt erst möglich: Die Luft ist sauberer, die Menschen sind weniger Lärmbelastung ausgesetzt und es wird Raum für soziale Begegnungen geschaffen. Notwendige Autofahrten wie Krankentransporte werden durch die leereren Straßen vereinfacht. Flächen werden gerechter verteilt und können nach den Bedürfnissen aller Anwohner*innen und mit deren Beteiligung gestaltet werden.

Autofreie Städte sind lebenswerter

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Wenn in der Planung von Städten das Wohlergehen der Menschen zur Priorität wird, kann das ein großes Mehr an Lebensqualität bedeuten. Wenn vor Häusern nur noch selten Autos vorbeifahren, steigt die Luftqualität und lärmbedingter Stress wird reduziert. Zufußgehende, Kinder und ältere Menschen sind weniger Risiken auf den Straßen ausgesetzt. Nachbar*innen können sich vor ihren Häusern treffen und Straßen werden zu Aufenthalts- und Begegnungsräumen. Wenn Städte außerdem in kleineren räumlichen Einheiten und mit kurzen Wegen geplant werden, belebt das Wohnviertel und Innenstädte und verbessert damit die Aufenthaltsqualität vor Ort.

Der Wandel kommt gut an!

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Ein Großteil der Menschen mit privaten Pkw sprechen sich für autofreie Innenstädte aus und wünschen sich, weniger abhängig von ihrem Auto zu sein. Wenn Kommunen autoreduzierte Zonen einrichten, kommt das bei den meisten gut an. Im Projekt „Ottensen macht Platz“ sprachen sich 83% der Bewohner*innen des verkehrsberuhigten Gebiets und der umgebenden Straßen dafür aus, die Maßnahmen langfristig weiterzuführen und machten diverse Vorschläge zur zukünftigen Ausgestaltung. .

Wie kommen wir dahin?

Was braucht es, um eine menschengerechte Mobilitätswende umzusetzen?

Damit die Mobilitätswende in den Städten umgesetzt werden kann, braucht es eine grundlegende Veränderung der Rechtslage. Erst mit den neuen gesetzlichen Grundlagen können auch Planungs- und Umsetzungsprozesse in den Kommunen vereinfacht und beschleunigt werden. Momentan sind diese häufig langwierig und kleinschrittig.

Um Druck auf die Gesetzgeber*innen auf Bundes- und Landesebene aufzubauen, braucht es starke Bündnisse sozialer Bewegungen. Dabei können sich Kämpfe für Barrierefreiheit und Inklusion, Gender- und Klimagerechtigkeit mit jenen, die sich konkret auf die Mobilitätswende beziehen, ergänzen.

Es braucht mutige Entscheidungsträger*innen in den Kommunen, die Veränderung einleiten, auch wenn sie dafür Gegenwind spüren. Sie können mithilfe von Ausprobierphasen autofreier Stadträume deren Vorteile erlebbar machen und schon jetzt Parkgebühren drastisch erhöhen und Einnahmen in den Umweltverbund investieren. Mit Kampagnen, runden Tischen und der Unterstützung lokaler Initiativen können Kommunen dazu beitragen, die Akzeptanz für eine tiefgreifende Transformation zu gewinnen.

Für die Umsetzung der Mobilitätswende braucht es durchdachte und transparente Beteiligungsverfahren. Menschen sollten mitbestimmen können, was mit dem neu gewonnenen Platz in ihren Straßen passiert. Wo diese nicht offiziell von den Kommunen umgesetzt werden, können Anwohner*innen, Künstler*innen und Kulturvereine kreative Wege finden, sich den öffentlichen Raum wieder anzueignen.

Für eine echte sozial-ökologische Transformation kann Verkehrspolitik nicht losgelöst von anderen Bereichen der Gesellschaft umgesetzt werden. Damit ein Großteil der alltäglichen Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können, braucht es z.B. auch eine gute Nahversorgung. Wenn es in den Kiezen genügend Kitas, Schulen, Coworking Spaces und Geschäfte des alltäglichen Bedarfs gibt, erübrigen sich viele Wege in andere Stadtteile. Auch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung, z.B. im Rahmen einer 4-Tage-Woche, würde zu weniger Berufsverkehr führen.

Mythen & Missverständnisse
„Die Zukunft der städtischen Mobilität sind E-Autos.“
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Oft wird behauptet, elektrisch betriebene Pkw seien umweltfreundlich. Besonders die Autoindustrie und ihre Lobby sind daran interessiert, diesen Mythos aufrecht zu erhalten. Tatsächlich werden bei Herstellung und Betrieb von E-Autos hohe CO2-Emissionen verursacht. Für die Herstellung von Elektroautos werden außerdem Rohstoffe benötigt, welche häufig unter grausamen Bedingungen im Globalen Süden abgebaut werden. Dadurch setzt die Branche neokoloniale Wirtschaftsstrukturen fort und ist für Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich. Einmal hergestellt, beanspruchen E-Autos genau wie alle Autos jede Menge Platz und verursachen Unfälle, Staus und gesundheitsschädliche Feinstaubemissionen.

„Viele Menschen sind doch auf ihr Auto angewiesen!“

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Denjenigen, die trotz des Ausbaus des Umweltverbunds auf ihren privaten Pkw angewiesen sind, muss es auch weiterhin möglich sein diesen zu nutzen. Das kann z.B. über Härtefallregeln organisiert werden. Der größte Teil der Autofahrten in Städten ist aber nicht mehr notwendig, wenn es einen starken Umweltverbund gibt. Wenn all jene, die es können, zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem ÖPNV mobil sind, wird auf den Straßen viel mehr Platz frei. Tatsächlich notwendige Fahrten werden dadurch sogar erleichtert.

„Hohe Parkgebühren sind sozial ungerecht.“

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Die aktuelle Situation in den Städten ist bereits höchst ungerecht. Infrastruktur für Autos nimmt einen viel größeren Anteil der öffentlichen Flächen in Anspruch als den Anteil der Wege, die tatsächlich mit dem Auto zurückgelegt werden. Besonders Menschen aus unteren Einkommensschichten besitzen häufig kein Auto, während ökonomisch besser gestellte Gruppen teils mehrere Pkw pro Haushalt besitzen. Dabei leiden vor allem Erstere unter Luftverschmutzung und Lärm, da sie häufiger an großen, verkehrsreichen Straßen leben müssen. Wenn Einnahmen aus Parkgebühren und Bußgeldern direkt und transparent in den ÖPNV, Rad- und Fußwege und die Umgestaltung des öffentlichen Raumes investiert werden, profitieren alle davon. Für Härtefälle kann es außerdem auch hier immer gesonderte Konditionen geben.

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