Bausteine für Klimagerechtigkeit
Transformativ.
Solidarisch.
Machbar.
Zusammenfassung
Landwirtschaftliche Böden in Deutschland sind sehr ungleich verteilt, Investoren und Großbetriebe nutzen Boden als Spekulationsobjekt.
Das lässt die Bodenpreise steigen und führt zur Konzentration von viel Fläche in den Händen weniger, profitorientierter Akteure. Kleine Betriebe und Bäuer*innen können sich Agrarflächen dadurch kaum noch leisten. Für eine klimagerechte und gemeinwohlorientierte Landwirtschaft muss Boden nach ökologischen Kriterien sowie kleinteiliger, schonender und vielfältiger bewirtschaftet werden.
Gerechte Bodenpolitik hat zum Ziel, den Bodenmarkt zu demokratisieren und Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.
Gerechte Bodenpolitik setzt die volle Transparenz über Bodeneigentum in Deutschland voraus. Hierfür muss die Eigentumskonzentration flächendeckend erfasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Rechte kapitalstarker Akteure auf dem Bodenmarkt müssen begrenzt und die Nutzungsrechte von Bäuer*innen, Junglandwirt*innen und gemeinwohlorientierten Betrieben gestärkt werden – durch ambitionierte Agrarstrukturgesetze der Bundesländer, die die sogenannten Share Deals verhindern, sowie eine progressiv ausgestaltete Grunderwerbssteuer und eine Anpassung des Erbrechts. Die Gemeinwohlverpachtung muss sowohl für öffentliche als auch private Flächen durchgesetzt werden, damit Boden ausschließlich nach sozialen und ökologischen Kriterien bewirtschaftet wird.
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Die Maßnahme: Gerechte Bodenpolitik
Gerechte Bodenpolitik fördert die Demokratisierung und Gemeinwohlorientierung der Bodennutzung –
Sie trägt so dazu bei, dass Boden wieder als Gemeingut und nicht als Quelle von Profit und Vermögensbildung behandelt wird. Die Instrumente einer gerechten Bodenpolitik sind dabei als Bestandteile einer sukzessiven Bodenmarktreform zu verstehen, die Verteilungsungerechtigkeiten und dem schädlichen Umgang mit Boden entgegentritt. Folgende Maßnahmen sind hierbei zentral:
Volle Transparenz über Bodeneigentum
Bisher gibt es in Deutschland keine amtlichen Statistiken, aus denen die Verteilung und Konzentration des Eigentums landwirtschaftlicher Flächen klar hervorgeht. Nur wenn Zahlen und Daten zu Bodeneigentum vorliegen, kann ein demokratischer Aushandlungsprozess über Vermögen an Land, über Kauf- und Pachtpreise und Konzentrationsprozesse stattfinden. Deshalb sind neue Datenbanken zu Eigentumskonzentration notwendig: Wem gehört wie viel Land – lokal, in der Region, bundesweit? Dies muss alle Daten über den Verkauf und die Vererbung von Land einschließen. Auch das Gesamtvermögen an Flächen von natürlichen und juristischen Personen, d.h. insbesondere Unternehmensverflechtungen, muss transparent gemacht werden. Um die Treiber der Konzentration auf dem Bodenmarkt zu verstehen, sollten ebenso Eigentumstypen und deren Historie erfasst werden.
Zugriff kapitalstarker Akteure auf den Bodenmarkt einschränken
Um die Konzentration von Boden zu verhindern und den Einfluss kapitalstarker Akteure auf den Bodenmarkt zu begrenzen, müssen verschiedene Gesetze geschärft und ausgebaut werden. Die Agrarstrukturgesetze, durch die der Anstieg der Bodenpreise gestoppt, Eigentum an Boden breiter gestreut, und Ackerland vorrangig an Bäuer*innen vergeben werden soll, müssen in allen Bundesländern vorangebracht werden. Die Einführung einer progressiv ausgestalteten Grunderwerbssteuer macht es möglich, Steuerlasten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Land gerechter zu verteilen und für kleine Betriebe zu mindern. Auch eine Anpassung des Erbrechts ist notwendig, um sicherzustellen, dass im Erbfall ein Teil der landwirtschaftlichen Fläche vergemeinschaftet wird und nicht als bloßes Eigentumsobjekt an Nachkommen ohne landwirtschaftlichen Beruf verloren geht.
Nutzungsrechte bäuerlicher Akteur*innen stärken
Neben der Begrenzung des Einflusses großer Agrarkonzerne und der Eigentumskonzentration von Land müssen die Nutzungsrechte der bäuerlichen und gemeinwohlorientierten Betriebe gestärkt werden. Hierzu sollte etwa das Vorkaufsrecht von Landwirt*innen konsequent durchgesetzt werden. Um bestehende Höfe zu erhalten und Neugründungen zu ermöglichen, müssen kleine Betriebe und insbesondere Junglandwirt*innen sowohl per Gesetz als auch per staatlicher Förderung beim Zugang zu Land privilegiert werden. Bei Pachtverträgen lässt sich dies über gemeinwohlorientierte Vergabeverfahren regeln, bei Betriebsgründungen sollten bessere Förderstrukturen, wie etwa Niederlassungsprämien, vorangetrieben werden.
Gemeinwohlverpachtung von öffentlichem Land
Boden sollte generell nach Gemeinwohlkriterien bewirtschaftet werden, für öffentliches Land gilt dies umso mehr. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat einen Katalog zur Verpachtung von öffentlichem Land nach Gemeinwohlkriterien entwickelt. Eine konsequente Anwendung des Katalogs macht es möglich, dass nicht mehr nach Gewohnheitsrecht und Höchstpachtgebot entschieden wird, wer das öffentliche Land bestellt, sondern nach der Qualität der Bewirtschaftung. Ziel muss sein, dass die Gemeinwohlverpachtung von öffentlichem Land zum Standard wird.
Verbesserter Rahmen für die Gemeinwohlverpachtung privater Flächen
In Nischen haben Zivilgesellschaft und landwirtschaftliche Akteur*innen praktikable Lösungen aufgebaut, um Landbesitzer*innen zur sozialen und ökologischen Verpachtung ihrer Flächen zu beraten, Eigentümer*innen von Land und Bäuer*innen durch Flächenbörsen besser zu verknüpfen und Boden zu entprivatisieren. Diese Nischen und Reallabore gilt es zu stärken. Dafür müssen gemeinwohlorientierte Bodenträger und Betriebe juristisch auf sicherem Boden stehen. Dazu ist es notwendig, dass der Bund unbürokratische, gemeinwohlorientierte Rechtsformen für Land und Höfe schafft. Ziel muss sein, Land auf Betriebsebene langfristig dem Markt zu entziehen, die Nutzung in den Vordergrund zu stellen und Betriebsführungs- und Generationswechsel zu erleichtern.
Beitrag zur Transformation
Regionale Ernährungssouveränität in Zeiten der Klimakrise
Gerechte Bodenpolitik ermöglicht und unterstützt eine vielfältige und ökologisch ausgerichtete Agrarstruktur, die bessere Möglichkeiten zur Anpassung an die Klimafolgen als die industrielle Landwirtschaft bietet. Regionale Versorgungswirtschaften sind um ein Vielfaches resilienter und reduzieren die Abhängigkeit von unberechenbaren globalen Lieferketten. Was es braucht, ist eine Vielzahl an betrieblichen Strukturen und Anbaumethoden und ein anderes Fortschrittsdenken, als es in den letzten Jahrzehnten propagiert wurde.
Wirtschaften mit weniger Preisdruck
Gerechte Bodenpolitik kann dazu beitragen, den Preisdruck in Landwirtschaft und Ernährungssystem zu mindern und Pacht- und Bodenpreise durchzusetzen, die sich an den tatsächlichen Ertragsmöglichkeiten des Bodens orientieren. Wenn die Flächen des Betriebs weniger Profit abwerfen müssen, entsteht Raum für einen schonenderen Umgang mit den Böden, für agrarökologische Methoden und einen respektvollen Umgang mit den Menschen, die den Boden bestellen.
Artenvielfalt, gesündere Böden, lebendigere Landschaften
Gerechte Bodenpolitik trägt mit dazu bei, dass der Trend zu immer größeren agrarindustriell bewirtschafteten Flächen gestoppt wird. Sie unterstützt, dass Flächen nach ökologischen und sozialen Kriterien sowie kleinteiliger und vielfältiger bewirtschaftet werden. Es braucht kleine, regional verankerte Betriebe, die in Kreisläufen wirtschaften und eine höhere Vielfalt im Anbau mit einem hohen Wert für die Biodiversität, den Humusaufbau und den lokalen Wasserhaushalt aufweisen.
Freiräume für kooperatives Wirtschaften
Bodenpolitische Instrumente wie die Sicherung und gemeinwohlorientierte Verpachtung von Flächen sind die Bedingung dafür, dass alle, die nachhaltige Landwirtschaft betreiben wollen, auch die Chance dazu bekommen. So kann sich eine Vielfalt an Betrieben entwickeln. Gerechte Bodenpolitik ermöglicht so kooperatives Wirtschaften und den Erhalt und Wiederaufbau bäuerlicher Betriebsstrukturen. In diesen entsteht Raum für den Aufbau sozialer Beziehungen, die Menschen einen Bezug zur Landwirtschaft ermöglichen.
Lebendige ländliche Räume für ein vielfältiges Ernährungssystem
Eine gerechte Bodenpolitik ist eine wichtige Bedingung für den Aufbau regionaler Versorgungsstrukturen. Nur wenn sich neue landwirtschaftliche Betriebe gründen, kann sich Lebensmittelhandwerk wieder ansiedeln, nur dann sind im ländlichen Raum wieder mehr Menschen vor Ort. Als Keimzellen für solidarische und demokratischere Betriebsformen ziehen sie wiederum Menschen aufs Land, mit denen mehr Kultur und Miteinander in die Dörfer kommt. Das entzieht nicht zuletzt auch Rechtsextremen auf dem Land den Boden für ihr Treiben.
Wie kommen wir dahin?
Die Vernetzung von Zivilgesellschaft, Aktivist*innen und progressiven Akteur*innen in der Landwirtschaft ist das A und O.
Die progressive bäuerliche Bewegung, die für eine sozial, ökologisch und ökonomisch tragfähige bäuerliche Landwirtschaft kämpft, braucht an vielen Stellen Unterstützung. Eine gute Vernetzung von Zivilgesellschaft, Aktivist*innen und progressiven Akteur*innen in der Landwirtschaft ist in allen Bereichen das A und O. Ziel muss es sein, Druck für eine gerechte Bodenpolitik zu erzeugen. Die strategischen Ansatzpunkte für eine verantwortungsvolle Bodenpolitik liegen breit gestreut bei Kommunen, Ländern und dem Bund.
Es ist zentral, die Kämpfe von Landwirt*innen für eine bessere soziale Absicherung zu unterstützen.
Eine gerechte Bodenpolitik lässt sich nicht ohne die Landwirt*innen durchsetzen. Deshalb ist es zentral, deren Kämpfe für eine bessere soziale Absicherung zu unterstützen. Hier liegt eine konkrete Aufgabe für Umwelt- und Naturschutzverbände, Ernährungsräte oder Verfechter*innen einer gesünderen und regionaleren Lebensmittelversorgung. Sie müssen sich stärker und gemeinsam mit angestellten landwirtschaftlichen Arbeiter*innen und Landwirt*innen den Fragen um gute Einkommen und angemessene Alterssicherungen annehmen.
Es braucht eine Debatte dazu, wie wir mit der Ressource Boden umgehen wollen und wer darüber bestimmt.
Daneben braucht es eine grundlegende Debatte dazu, wie wir mit der wertvollen Ressource Boden in Zukunft umgehen wollen und wer darüber zu bestimmen hat. Denn dies ist keine Frage, die Landeigentümer*innen und Pächter*innen allein entscheiden sollten. Deshalb müssen zum einen auch Akteur*innen, die sich bislang nur indirekt mit Bodenfragen befassen, das Thema Boden explizit bearbeiten.
Solidarische Reallabore und Praxisansätze müssen gestärkt und ausgeweitet werden.
Auch solidarische Reallabore und Praxisansätze wie das Ackersyndikat, Boden-Genossenschaften oder Flächenplattformen müssen gestärkt und ausgeweitet werden. Klar ist aber: Diese kollektiv finanzierten und organisierten Reallabore sind nur pilothafte Lösungsansätze. Ohne die kommunal-, landes- und bundespolitischen Regelungen zur Eindämmung von Landkonzentration wird es nicht gehen.
Die Beziehungen zwischen Stadt und Land müssen neu gestaltet werden.
Grundvoraussetzung für eine gerechte Bodenpolitik und eine sozialere Landwirtschaft ist nicht zuletzt, dass die Beziehungen zwischen Stadt und Land neu gestaltet werden. Der ländliche Raum ist ebenso wie die Stadt ein Ort, der gesamtgesellschaftlich demokratisch und sozial gestaltet werden muss. Hierfür braucht es auch in den sozialen Bewegungen ein grundlegend anderes Verständnis vom ländlichen Raum sowie neue Stadt-Land-Allianzen auf Augenhöhe. Dazu gehört auch, die Bodenpolitik in Stadt und Land zusammenzuführen und gemeinsam eine bedürfnisorientierte Nutzung des knappen Gutes Boden zu erstreiten.
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Für die 4-Tage-Woche und ein gutes Leben für alle
Gerechte Bodenpolitik
für eine demokratische, vielfältige und zukunftsfähige Landwirtschaft
Förder*innen
Supported in part by a grant from the Foundation Open Society Institute in cooperation with the Europe and Eurasia Program of the Open Society Foundations.